Vor drei Wochen, kurz nachdem sie offiziell als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten nominiert wurde, wurde Kamala Harris zu ihren Plänen für ein ausführliches Interview befragt. Auf dem Rollfeld des Flughafens in Detroit sagte sie Reportern: „Ich habe mit meinem Team gesprochen. Ich möchte, dass wir ein Interview vor Ende des Monats planen.“ Heute Abend wird Kamala Harris dieses Versprechen einhalten, indem sie sich mit Dana Bash von CNN zusammensetzt. Doch Harris wird bei diesem ersten großen Interview nicht allein auftreten. An ihrer Seite wird der Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, sein. Das Interview wird zur Primetime um 21:00 Uhr EDT (02:00 Uhr BST) ausgestrahlt.
Das Interview ist die Antwort auf wochenlange Spekulationen, wann und wo Harris eine eingehende Diskussion über ihre Kandidatur und Agenda führen würde – ein Standardverfahren für alle großen Präsidentschaftskandidaten der Parteien. Doch die Tatsache, dass Walz sie begleiten wird, hat bereits Kritik ausgelöst. Viele sehen darin einen Versuch, der intensiven Prüfung und den anspruchsvollen Fragen zu entgehen, die mit einem Einzelinterview einhergehen.
Gemeinsame Interviews – Eine übliche Praxis
Gemeinsame Interviews mit beiden Mitgliedern eines Präsidentschaftsteams sind nicht ungewöhnlich. Bereits 2008 saßen Barack Obama und Joe Biden für ein Interview mit „60 Minutes“ zusammen, und acht Jahre später taten Hillary Clinton und ihr Running Mate Tim Kaine dasselbe. Auch Harris und Biden traten 2020 gemeinsam bei ABC‘s „20/20“ auf. Und weniger als eine Woche nachdem Donald Trump JD Vance als seinen Vizekandidaten verkündet hatte, gaben sie ein gemeinsames Interview bei Fox.
Seit Joe Biden ihr Ende letzten Monats den Staffelstab übergeben hat, hat Harris ihre Engagements mit der Presse jedoch hauptsächlich auf streng kontrollierte Umgebungen beschränkt. Ihr letztes formelles Einzelgespräch fand am 24. Juni statt, also vor mehr als zwei Monaten und in einem politisch völlig anderen Kontext. Ihre vereinzelten Interaktionen mit Reportern – kurze Antworten auf zugerufene Fragen – haben wenig dazu beigetragen, die republikanischen Vorwürfe zu entkräften, dass sie jede Gelegenheit meidet, um ihre Bilanz und Agenda unter die Lupe zu nehmen.
Die schärfste Kritik kommt von ihren Gegnern, Donald Trump und JD Vance, die beide in den letzten Monaten mehrfach Interviews gegeben haben. „Sie ist nicht klug genug, um eine Pressekonferenz zu geben“, sagte Trump Anfang August den Medien. „Sie macht keine Interviews mit freundlichen Leuten, weil sie es nicht besser kann als Biden.“
Kritik und Verteidigung
Harris‘ offensichtliche Zurückhaltung bei Interviews hat die republikanische Erzählung befeuert, dass die Harris-Walz-Kampagne inhaltlich schwach sei. „Ich denke, es ist unglaublich schwach, mit seinem Running Mate aufzutreten“, sagte Scott Jennings, ein ehemaliger Sonderassistent von Präsident George W. Bush, diese Woche bei CNN und fügte hinzu, dass Harris ein „beunruhigendes mangelndes Selbstvertrauen“ in ihre eigenen politischen Fähigkeiten habe.
Seit ihrem Eintritt in das Rennen konnte die demokratische Kandidatin einen massiven Aufschwung verzeichnen. Jetzt, nach ihrer turbulenten Vorstellung vor den amerikanischen Wählern, muss sie diese Dynamik „verstärken“, sagte der republikanische Stratege und Trump-Kritiker Chip Felkel. „Sie muss rausgehen“, sagte er. „Sie muss zeigen, dass sie unter Druck denken kann, denn das ist ein Teil dessen, was ein Präsident tun muss.“
Unterstützer von Harris bestehen jedoch darauf, dass sie angesichts der atemlosen Natur ihrer Kandidatur das richtige Tempo wählt. „Ich denke, der Rhythmus war richtig“, sagte Peter Giangreco, ein demokratischer Stratege aus Chicago. „Gewinnen Sie die Nominierung, wählen Sie Ihren Kandidaten, legen Sie Ihren Wirtschaftsplan vor, machen Sie Ihren Parteitag und führen Sie dann einige Interviews, um das zu verstärken.“
Giangreco prophezeit, dass Harris und Walz sich auf ihren Wirtschaftsplan konzentrieren werden, eine Agenda zur Senkung der Lebenshaltungskosten und zur Sicherung der wirtschaftlichen Sicherheit, die sie vor zwei Wochen bei einer Kundgebung in Raleigh, North Carolina, erstmals verkündete. Mit dieser speziellen Botschaft könnte die Anwesenheit von Walz während des Interviews in dieser Woche nützlich sein. Der Gouverneur von Minnesota hat Lob für seine wirtschaftliche Bilanz erhalten, darunter Hunderte Millionen an Steuergutschriften für Familien und universelles kostenloses Schulessen.
Ein weiterer möglicher Vorteil eines gemeinsamen Interviews: Ein deutlicher Kontrast zwischen Walz und seinem republikanischen Gegenstück Vance. Seitdem Vance dem Trump-Ticket im Juli beigetreten ist, hat der Senator aus Ohio mehrfach Fehler gemacht und musste frühere Kommentare verteidigen, wie seine Verachtung für „kinderlose Katzenfrauen“.
Dennoch wird die eigentliche Auswirkung des gemeinsamen Interviews von Harris und Walz erst nach dessen Ausstrahlung bekannt sein. Harris‘ Bilanz mit hochkarätigen Interviews ist gemischt. Ein Gespräch mit NBC’s Lester Holt im Jahr 2021, in dem sie Fragen zu ihrer Rolle in der Grenzpolitik der Administration unbeholfen beantwortete, wurde weithin als Misserfolg angesehen. Doch bei einem jüngeren Auftritt, einem Einzelgespräch mit CNN’s Anderson Cooper, bei dem sie Bidens schlechte Debattenleistung verteidigte, zeigte Harris sich ruhig und zuversichtlich inmitten eines politischen Sturms.
Wenn dieses nächste CNN-Interview in die gleiche Richtung geht, wird die meiste Kritik verpuffen, sagte Felkel, der republikanische Stratege. „Die Kampagne muss nur sagen können: ‚Sehen Sie, wir haben es Ihnen doch gesagt‘ und dann weitermachen.“