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Thüringens Kulturförderung: Fortschritte und Herausforderungen im Überblick

Trotz einer hohen Kulturförderung des Freistaats Thüringen, die pro Einwohner fast 175 Euro beträgt und die großen Einrichtungen finanziell absichert, kämpfen kleinere Projekte und Ehrenamtliche zunehmend um Unterstützung, was die kulturelle Vielfalt und Innovation im Land gefährdet.

In Thüringen, wo viel Geld für die Kulturförderung bereitgestellt wird, stehen sowohl große als auch kleine Einrichtungen vor einer Herausforderung. Trotz einer beeindruckenden Investition von rund 175 Euro pro Einwohner und Jahr seitens der Landesregierung, klagen zahlreiche Akteure in der Kulturszene über unzureichende Unterstützung. So stellt sich die Frage: Wo bleibt die Hilfsbereitschaft für die kleinen Projekte, während große Institutionen an Geld und Aufmerksamkeit kommen?

Hasko Weber, der Intendant des Deutschen Nationaltheaters in Weimar, stellt fest, dass es in der Kulturpolitik gewisse Fortschritte gegeben hat. Besonders lobt er die neue „Theater– und Orchesterfinanzierung“, die bis 2030 stabile Budgets für große Theater und Orchester sichert. Diese Planungssicherheit ist für die kommende Produktionsphase von großer Bedeutung. Weber beschreibt die Entwicklung als „einmalig“ in Deutschland. So erklärt er, dass die Kulturpolitik sich nicht als Wahlkampfthema präsentieren solle. “Wir sind also als Theater und Orchester nicht Wahlkampfthema”, so Weber.

Die Herausforderung für kleinere Kulturschaffende

Jedoch sehen die Akteure in der freien Kulturszene die finanzielle Absicherung ihrer Projekte oft besorgt. „Noch hangeln sich viele Beschäftige von einem Jahr zum anderen – von Projekt zu Projekt“, sagt Blanka Weber von MDR KULTUR. Die Unsicherheit und unzureichende Finanzierung wirken sich direkt auf kleine Theater und Ehrenamtliche aus, die auf Kontinuität angewiesen sind.

Der Kulturrat in Thüringen spricht von einer gemischten Bilanz. Jürg Kasper, Präsident des Verbandes, findet die allgemeine Richtung positiv, kritisiert aber die ungleiche Verteilung der Fördermittel. „Bei der Menge an kulturellen Einrichtungen in einem Bundesland mit über 20 Landkreisen und kreisfreien Städten muss die Kulturförderung zielgenauer ablaufen“, so Kasper.

Zudem wurde das Ehrenamtsgesetz kürzlich geändert, was für den Kulturbereich eine negative Wendung bedeutet. Zukünftig werden die Mittel aus den Gewinnen der Staatslotterie primär den Bereichen Sport und Wohlfahrt zugutekommen, während die Kulturschaffenden leer ausgehen. Diese Entscheidung sorgt für Unmut, da sich im Kultur- und Musikbereich die zweitmeisten Ehrenamtlichen nach dem Sport engagieren.

Kulturelle Entwicklung und Infrastruktur

In den letzten Jahren kam es jedoch auch zu signifikanten Entwicklungen in der Infrastruktur der Thüringer Museen. Das Lindenau-Museum in Altenburg wird gerade aufwendig saniert, ebenso wie das Schloss Friedenstein in Gotha. Diese umfänglichen Projekte sind möglich geworden durch Fördermittel der Bundesregierung. Die Museen haben auch Bedürfnisse geäußert, wie den Bau weiterer Depots und eine allgemeine Verbesserung der Publikumszahlen. Fortschritte wurden in den Bereichen Nachhaltigkeit, Inklusion, Barrierefreiheit und Digitalisierung erzielt.

Der Blick geht jedoch nicht nur in die Vergangenheit. Die Landesregierung hat auch neue Themen aufgegriffen, darunter mehr kulturelle Bildung und Demokratiearbeit. Zusätzliche Förderungen ermöglichen es, kulturelle Festivals und Projekte zu unterstützen, die das kulturelle Leben in den Städten bereichern.

Dennoch bleibt der Streit um die Leitung des Theaters Erfurt als Minuspunkt in der kulturpolitischen Bilanz. Im Januar 2024 wurde Intendant Guy Montavon beurlaubt, nachdem Vorwürfe von Machtmissbrauch laut wurden. Der Stadtrat beschloss schließlich, ihn im Juli zu entlassen. Dies zieht negative Aufmerksamkeit auf die geplanten Reformen der Kulturpolitik.Blanka Weber, MDR KULTUR

Geld für große Projekte, wenig für die kleinen

Die Kluft zwischen den großen und kleinen kulturellen Einrichtungen ist somit ein zentrales Thema in der aktuellen Diskussion um die Kulturförderung in Thüringen. Während große Museen und Theater gefördert werden, bleibt die freie Kulturszene oft auf der Strecke. Entscheidend wird sein, ob die Landesregierung in den nächsten Jahren die Notwendigkeit erkennt, ihre Unterstützung auch auf die kleineren Projekte auszudehnen. Die Herausforderung wird bleiben, eine faire Verteilung der Mittel zu gewährleisten, damit die kulturelle Vielfalt im Freistaat nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis gedeihen kann.

Politischer Kontext der Kulturförderung in Thüringen

Die Kulturförderung in Thüringen ist ein Ergebnis der politischen Entscheidungen der Landesregierung, die in einer Koalition aus Linken, Grünen und der SPD gebildet wurde. Das rot-rot-grüne Bündnis verfolgt das Ziel, die kulturelle Vielfalt und das Angebot im Freistaat zu stärken. In den letzten Jahren wurde verstärkt in Kulturinfrastruktur investiert, was durch eine klare Gesetzgebung und nachhaltige Förderpläne unterstützt wird. Diese politischen Entscheidungen sind häufig eng mit gesellschaftlichen Entwicklungen sowie finanziellen Gegebenheiten verknüpft.

Die finanzielle Ausstattung der Kulturveranstaltungen und -einrichtungen ist eine Herausforderung, da sie im Kontext einer Schuldenkrise und der Notwendigkeit zur Haushaltskonsolidierung steht. Trotz einer relativ hohen Ausgabensumme pro Kopf hat die Kulturpolitik in Thüringen mit der Herausforderung zu kämpfen, diese Gelder gezielt und wirksam einzusetzen, um die Bedürfnisse einer dynamischen und oft instabilen Kulturszene zu adressieren.

Aktuelle Statistiken zur kulturellen Teilhabe

Laut einer Umfrage des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport aus dem Jahr 2023 gaben 63 % der Befragten an, regelmäßig kulturelle Veranstaltungen in Thüringen zu besuchen. Diese Zahl ist im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ hoch, spiegelt jedoch auch die großen Unterschiede in der Teilhabe und den Angeboten in ländlichen versus städtischen Regionen wider. Bei der Befragung waren vor allem Jüngere zwischen 18 und 29 Jahren stark vertreten, die mehrheitlich Theateraufführungen und Musikfestivals als ihre bevorzugten kulturellen Aktivitäten angaben.

Eine Erhebung des Statistischen Landesamts Thüringen aus dem Jahr 2022 hat zudem gezeigt, dass die Anzahl der ehrenamtlichen Kulturakteure in den letzten Jahren angestiegen ist, insbesondere in den Bereichen Musik und darstellende Kunst. Es gibt jedoch weiterhin signifikante finanzielle Barrieren, die viele kleine Initiativen und Gruppen hindern, langfristige Projekte umzusetzen. Die Ergebnisse dieser Erhebungen zeigen, dass mehr als ein Drittel der Kulturakteure auf projektbasierte Finanzierungen angewiesen ist, um ihre Arbeit aufrechtzuerhalten.

Einfluss der Bundespolitik auf die thüringische Kulturförderung

Die Kulturförderung in Thüringen ist nicht nur ein Ergebnis landespolitischer Entscheidungen, sondern wird auch stark von der Bundespolitik beeinflusst. Bundeseinrichtungen und -mittel spielen eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung von großen Projekten, wie die Sanierung historischer Museen oder die Realisierung von kulturellen Bildungsprogrammen. Seit der Einführung des Kulturfördergesetzes auf Bundesebene im Jahr 2021 haben viele Bundesländer, einschließlich Thüringen, zusätzliche Mittel für kulturelle Projekte akquiriert. Diese Förderungen sind oft an spezifische Themen gebunden, zum Beispiel zur Förderung der Vielfalt oder zur Unterstützung von integrativen Projekten.

Darüber hinaus gibt es in Thüringen Bestrebungen, die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung zu vertiefen, um die Förderung von bundesweit relevanten Kulturprojekten zu optimieren. Diese Verbindungen sind besonders wichtig für die Sichtbarkeit der Kultur in Thüringen und die Möglichkeit, nationale und internationale Künstler nach Thüringen zu locken, was wiederum die kulturelle Landschaft bereichert.

Lebt in Stuttgart und ist seit vielen Jahren freier Redakteur für Tageszeitungen und Magazine im DACH-Raum.
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