Am 29. Januar 2025 findet an der Universität Jena eine öffentliche Podiumsdiskussion unter dem Titel „Geschichte in der Erinnerung – welche Vergangenheit lassen wir zu?“ statt. Diese Veranstaltung, die erste „Jena Lecture in Contemporary History“, versammelt hochkarätige Wissenschaftler und bietet ein Forum, um zentrale Fragen zur historischen Erinnerung zu erörtern. Die Diskussion wird sich mit den Themen der Geschichtsvergessenheit und Geschichtsversessenheit, den universellen Lehren aus der Vergangenheit sowie aktuellen Kontroversen über Erinnerungen an den Holocaust und Kolonialismus befassen. Die Podiumsteilnehmer sind unter anderem Prof. Dr. Omri Boehm (New York), Prof. Dr. Natan Sznaider (Tel Aviv), Prof. Dr. Stefanie Middendorf und Prof. Dr. Joachim von Puttkamer (beide Jena) berichtet die IDW.
Die anstehenden Diskussionen sind besonders relevant, da sie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz-Birkenau am 27. Januar stehen. Dieser Jahrestag wirft grundlegende Fragen auf über die zukünftige Erinnerung an die Shoah und den Holocaust. Gerade der Einfluss des Generationswechsels auf das Wissen und die Erinnerung ist ein zentrales Thema. Eine zunehmende Dezentralisierung des Diskurses durch soziale Netzwerke und andere Medien hat dazu beigetragen, dass Erinnerung nicht mehr ausschließlich im Bildungssystem verankert ist, sondern als lebendiges Phänomen betrachtet wird. Darüber hinaus wird Erinnerung als Schlüssel zur Identität und Verantwortung angesehen, insbesondere in der jüdischen Welt. Die Bundeszentrale für politische Bildung erörtert diese Themen ausführlich.
Teilnehmende und ihre Expertise
Die vier Podiumsteilnehmer bringen vielfältige Perspektiven zur Diskussion. Prof. Dr. Omri Boehm ist bekannt für seine Werke wie „Radikaler Universalismus“, die sich mit universalen Fragen der Menschheit auseinandersetzen. Er erhielt recent den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2024.
Prof. Dr. Natan Sznaider thematisiert in seinem diskutierten Werk „Fluchtpunkte der Erinnerung“ die Verflechtungen zwischen Holocaust und Kolonialismus. Er hat Lehraufträge in verschiedenen Städten Europas und seine Theateraufführung „Niemandes Schwester“ wird im Januar 2025 in Hamburg uraufgeführt.
Prof. Dr. Stefanie Middendorf und Prof. Dr. Joachim von Puttkamer, beide der Friedrich-Schiller-Universität Jena zugehörig, bringen Expertise über die neueste Geschichte und Osteuropäische Geschichte ein, wobei sie besonderen Wert auf die kulturellen Gedächtnisse legen, die in Osteuropa und über die Erinnerung an den Nationalsozialismus und den Holocaust hinaus gehen.
Die Veranstaltung wird sowohl auf Deutsch als auch in Teilen auf Englisch durchgeführt und ist kostenfrei, jedoch ist eine Anmeldung erforderlich teilt die Universität Jena.
Erinnerungskultur und deren Herausforderungen
Die Diskussion um Erinnerung ist nicht nur akademischer Natur, sondern hat auch tiefgreifende soziale und politische Dimensionen. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Erinnerungskultur in Deutschland darum bemüht, den Nationalsozialismus und den Holocaust verständlich zu machen. Dabei spielt die Förderung von Demokratiefähigkeit und Zivilcourage eine essenzielle Rolle. Ergebnisse der internationalen Holocaust-Konferenz von 2000 belegen den Versuch, Erziehung und Gedenken über nationale Grenzen hinaus zu verankern.
Zudem wird die Rolle von Gedenkstätten angesprochen, die sich von reinen Gedenkorten in den 1960er Jahren hin zu musealen Institutionen entwickelt haben. Der heutige Diskurs über die Shoah und ihr Erbe stellt auch die Frage nach einem europäischen Gedächtnis in den Vordergrund und reflektiert dabei die Herausforderungen der Globalisierung der Erinnerung wie von der Bundeszentrale für politische Bildung hervorgehoben.
Durch das Zusammenspiel aus Theorie und Praxis der Erinnerung wird versucht, aktuelle Probleme zu adressieren. Erinnerung sollte dabei nicht nur auf die Vergangenheit fokussieren, sondern auch auf die Formung zukunftsorientierter Handlungsweisen abzielen.