Die Preise für Wohnraum in Erfurt steigen, während zugleich eine alarmierende Wohnungsnot entsteht. Eine aktuelle Untersuchung des Pestel-Instituts liefert umfassende Daten, die die Herausforderungen für die Stadt beleuchten. Bis zum Jahr 2035 geht die Baby-Boomer-Generation in Rente, was zu einem signifikanten Anstieg der Rentnerzahlen führen wird. Aktuell leben in Erfurt etwa 114.200 Haushalte, wobei 31 Prozent dieser Haushalte von Senioren geführt werden. Die Notwendigkeit, auf die Bedürfnisse dieser demografischen Gruppe einzugehen, könnte dringender nicht sein.
Aus den Ergebnissen der Studie geht hervor, dass in Erfurt derzeit etwa 8.200 Wohnungen für Menschen mit eingeschränkter Mobilität fehlen. Bis 2045 werden schätzungsweise weitere 10.700 barrierefreie Wohnungen erforderlich sein. Matthias Günther, ein Vertreter des Pestel-Instituts, warnt daher vor einer drohenden „grauen Wohnungsnot“. Diese Herausforderung erfordert nicht nur Neubauten, sondern auch eine umfassende Sanierung bestehender Wohnräume, da viele überlegen müssen, in Pflegeeinrichtungen umzuziehen.
Die Situation der Senioren
Besonders betroffen von der Wohnungsknappheit sind Senioren mit kleineren Renten, die häufig Phasen von Arbeitslosigkeit im Lebenslauf vorweisen müssen und oft zu Niedriglöhnen beschäftigt waren. Die durchschnittliche Kaltmiete in Erfurt liegt bei rund 6,50 Euro pro Quadratmeter, doch alarmierende 70 Prozent der Seniorenhaushalte leben unterhalb dieser Mietgrenze. Die steigenden Mieten und der Mangel an verfügbarer Wohnfläche verschärfen die Situation für diese Klientel erheblich.
Die Präsidentin des Bundes Deutscher Baumeister (BDB), Katharina Metzger, fordert in diesem Kontext ein Umdenken im Wohnungsbau: „Wir müssen jetzt handeln, um die Wohnsituation der älteren Generation zu verbessern.“ Die kritische Lage wird auch durch die Erkenntnis untermauert, dass ein absinkender Angebotspreis für altersgerechte Wohnungen auch für die allgemeine Gesellschaft wirtschaftlich sinnvoll wäre. Dies könnte dazu beitragen, die Zahl der benötigten Heimplätze zu senken.
Bedarf an barrierefreiem Wohnraum
Die Herausforderungen sind nicht nur in Erfurt zu beobachten. Die gesamte Bundesrepublik Deutschland steht vor einem gravierenden Mangel an barrierefreiem Wohnraum. Aktuell gibt es hierzulande etwa 1,2 Millionen barrierefreie Wohnungen, während der tatsächliche Bedarf ungefähr bei 3 Millionen Wohnräumen liegt. Prognosen zeigen bereits jetzt, dass bis 2040 eine Versorgungslücke von etwa 2 Millionen barrierefreien Wohnungen entstehen wird.
Doch senile Menschen sind nicht die einzigen, die von einem Mangel an barrierefreiem Wohnraum betroffen sind. Auch junge Familien sind an diesen Wohnungen interessiert, was den Wettbewerb um die wenigen verfügbaren Einheiten in die Höhe treibt. Der Ausbau barrierefreier Wohnungen geschieht nicht schnell genug, um mit der alternden Gesellschaft Schritt zu halten. Politische Prioritäten, die sich in den letzten Jahren stark auf energetische Sanierungen und Klimaschutz konzentriert haben, haben den Bereich der Barrierefreiheit vernachlässigt.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, benötigen Städte und Gemeinden innovative Konzepte, um den barrierefreien Wohnraum zu erweitern. Förderprogramme, wie die Verdopplung des KfW-Förderbudgets auf 150 Millionen Euro im Jahr 2024, zeigen bereits erste Fortschritte, sind jedoch nicht ausreichend. Ein gemeinsames Handeln von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist entscheidend, um die Kluft zwischen Angebot und Bedarf zu schließen.