Am 9. Februar 2025, 100 Tage nach Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes in Deutschland, zeigt sich ein ambivalentes Bild hinsichtlich der Inanspruchnahme dieser neuen Regelung. Am 1. November 2024 trat das Gesetz in Kraft, das es transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen ermöglicht, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen mit einer einfachen Erklärung beim Standesamt zu ändern, ohne dass psychologische Gutachten oder gerichtliche Beschlüsse erforderlich sind. Diese Änderung wurde als großer Fortschritt in der Anerkennung der Identität dieser Gruppen angesehen. Laut sueddeutsche.de nutzen die Menschen in Sachsen-Anhalt diese Möglichkeit zunehmend, jedoch sinkt die Zahl der Anmeldungen.
In den ersten Monaten nach Einführung des Gesetzes wurden in Magdeburg 114 Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags abgegeben. Bislang liegen 39 Anmeldungen noch in der dreimonatigen Wartefrist. In Halle (Saale) zählten die Standesämter 98 abgegebene Erklärungen, darunter 14 für „divers“ und neun für „ohne Geschlechtseintrag“. Im Vergleich dazu waren die Zahlen in Burg und Wanzleben-Börde deutlich rückläufig; dort wurden lediglich zehn beziehungsweise vier Erklärungen finalisiert. Lex Keck vom Begegnungs- und Beratungs-Zentrum „lebensart“ in Halle beschreibt das Gesetz als Verbesserung, hebt jedoch die Herausforderungen bei der Umsetzung hervor. Kleinere Standesämter seien oft nicht ausreichend geschult und es mangelt an klaren Abläufen und Formularen.
Hürden und Herausforderungen
Trotz der Möglichkeiten, die das Selbstbestimmungsgesetz eröffnet, zeigen sich in der Praxis Hürden. Unter anderem wurde festgestellt, dass Missverständnisse bei der Namenswahl entstanden sind. Das Gesetz sieht vor, dass Minderjährige bis 14 Jahre die Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter benötigen, was möglicherweise eine zusätzliche Barriere darstellt. Auch die dreimonatige Wartefrist wurde von vielen als unnötig kritisiert, da die meisten Betroffenen sich bereits lange vor der Antragstellung intensiv mit ihrer Identität auseinandergesetzt haben.
Ein wesentliches Ziel der Bundesregierung ist die Abschaffung des veralteten Transsexuellengesetzes (TSG), das seit 1980 in Kraft war und als verfassungswidrig erklärt wurde. Das Selbstbestimmungsgesetz erfüllt nicht nur diese Zielsetzung, sondern schafft auch die Grundlage für eine stärkere soziale Akzeptanz und Rechtssicherheit für alle Geschlechteridentitäten. Die Bundesregierung schätzt, dass etwa 4.000 Änderungen pro Jahr nach dem neuen Gesetz beantragt werden, während mediale Berichte von bis zu 15.000 Anmeldungen sprechen. Um die erreichten Fortschritte langfristig zu sichern, ist eine Evaluierung des Gesetzes innerhalb von fünf Jahren nach der Einführung vorgesehen.
Finanzielle Aspekte und gesellschaftliche Wirkung
Ein weiterer Aspekt des Selbstbestimmungsgesetzes ist die vollständige Übernahme der Kosten für geschlechtsangleichende Behandlungen durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Diese Regelung soll den Zugang zu wichtigen medizinischen Maßnahmen verbessern. Gleichzeitig wird ein Offenbarungsverbot eingeführt, das vor Zwangsouting früherer Geschlechtseinträge und Vornamen schützt. Dies ist ein bedeutender Schritt hin zu mehr Respekt und Privatsphäre für Betroffene.
Das Selbstbestimmungsgesetz positioniert sich im Kontext internationaler Standards, da über 16 Länder ähnliche Gesetze zur Änderung des Geschlechtseintrags haben. Die gesetzlichen Änderungen spiegeln eine gesamtgesellschaftliche Bewegung wider, die auf mehr Gleichstellung und Akzeptanz abzielt und schon jetzt positive Effekte auf die Lebensrealitäten vieler Menschen hat.