Heinsberg

Mit Hoffnung und Hilfsgütern: Ein Abenteuer in Siebenbürgen

Eine Gruppe von freiwilligen Helfern, angeführt von Ron Weimann, reiste im Sommer 2023 nach Sibiu, Rumänien, um mit 1,5 Tonnen humanitärer Hilfsgüter, darunter Feuerlöscher und medizinische Materialien, die notleidenden Kinder der regionen zu unterstützen und deren Überlebenswillen im Angesicht von extremer Armut und Herausforderungen zu würdigen.

von Ron Weimann

Eine bemerkenswerte Reise von Heinsberg nach Rumänien steht uns bevor. Es ist 09:30 Uhr, die Sonne strahlt, und unser langer Weg startet nach einer vierstündigen Verzögerung. Wir sind mit 1,5 Tonnen Hilfsgütern beladen, darunter 100 Feuerlöscher, medizinische Hilfsmittel, Kinderbekleidung und Spielzeug. Das Ziel – die Stadt Sibiu in Siebenbürgen – ist nicht nur für ihren Tourismus bekannt, sondern auch als Standort der „Kinderhilfe Siebenbürgen“, wo wir dringend benötigte Unterstützung für bedürftige Kinder leisten möchten.

Die Reise führt uns durch Deutschland, Österreich, Ungarn und schließlich Rumänien. Während wir fahren, sorgt Michael Dohmen, unser erster Fahrer, mit Geschichten und Humor für eine positive Stimmung im Team. Linus Kerkhoff, der jüngste im Team, hat es geschafft, die Beleuchtung am Anhänger zu reparieren, was die Moral hebt. „Morgen wird’s anstrengend, aber wir schaffen das“, sagt Hubert Beckfeld, Dohmens Onkel, optimistisch.

Die Realität der Roma-Siedlungen

Nach einem reibungslosen Grenzübertritt nach Rumänien erreichen wir das Lagerhaus der Kinderhilfe Siebenbürgen. Hier begrüßt uns Alex Kanap, während wir die Spenden entladen. Jenny, die Leiterin der Organisation, erzählt uns von den Herausforderungen, die sie tagtäglich bewältigt. Trotz einer anspruchsvollen Situation versucht sie, stets optimistisch zu bleiben. „Wir sehen, dass die Hilfe ankommt“, bemerkte Jenny mit einem Lächeln und berichtet von Fortschritten bei den Kindern, die nun die Schule besuchen.

Am nächsten Tag machen wir uns auf zu zwei Roma-Siedlungen. Diese Dörfer haben grundlegende Infrastrukturen wie Strom und fließendes Wasser, doch die Armut ist evident. Die Straßen sind unbefestigt, und die Häuser meist notdürftig errichtet. Michael und Linus unterrichten die Erwachsenen über die Handhabung der Feuerlöscher, da man in diesen abgelegenen Gebieten auf sich selbst angewiesen sein muss. Die Freude der Kinder, die unter Anleitung ein Feuer löschen dürfen, ist ein seltener Moment des Stolzes für sie.

Die Bedingungen in den Häusern sind oft bedrückend. In einer kleinen Hütte treffen wir eine 76-jährige Frau, die trotz ihres Alters und ihrer Armut ihren Alltag meistert. Jenny erklärt, dass eine Pflege für sie unmöglich sei, da die finanziellen Mittel fehlen. Ein weiteres Beispiel ist die 56-jährige Maria, die zusammen mit ihrem Neffen Christi lebt. Ihr Mann verdient als Tagelöhner, während sie gesundheitliche Probleme hat und auf Hilfe von der Kinderhilfe angewiesen ist, um ihre Medikamente zu bezahlen.

Die Schere zwischen Arm und Reich

Abends in unserer Unterkunft in Sibiu überdenken wir die Erlebnisse des Tages. Die ungeheuren Unterschiede zwischen unseren Lebensverhältnissen und denen der Menschen hier lassen sich kaum in Worte fassen. Es ist schockierend, wie naheliegende Armut existieren kann, während in der Stadt das moderne Leben pulsiert. Jenny begleitet uns weiterhin auf unseren Touren, während unser Augenmerk auf bestimmte Regionen gelegt wird.

Eines der nächsten Ziele ist Făgăraș, wo wir die bedrückenden Realitäten eines heruntergekommenen Wohnblocks vor Augen geführt bekommen. Die Wände bröckeln, Fenster fehlen und die Kanalisation funktioniert nicht. Hier leben Menschen in einem Zustand, der für viele kaum vorstellbar ist. Marinela, die in diesem Block wohnt, erklärt die Herausforderungen, mit denen sie seit Jahren konfrontiert ist.

„Wir haben hier seit zehn Jahren keine Verbesserung erlebt“, berichtet sie und zeigt uns ihren Garten, der trotz der widrigen Bedingungen liebevoll gepflegt wird. Der Bürgermeister hat zwar Pläne für neue Sozialwohnungen angekündigt, doch viele Bewohner, wie Marinela, wissen nicht, ob sie tatsächlich davon profitieren können.

Wir fragen uns, wie das Ungleichgewicht in den Lebensverhältnissen in Europa so gravierend sein kann. Es sind nicht nur materielle Güter, die diesen Menschen fehlen; es ist zudem eine Perspektive auf eine bessere Zukunft. Die Worte des Bürgermeisters von Făgăraș, Gheorghe Sucaciu, Hallen laut in unseren Köpfen, während wir zurück nach Sibiu fahren: „Wir müssen konkrete Aktionen ergreifen, um den Lebensstandard der Menschen hier zu verbessern.“

Ein Lichtblick in der Düsternis

Das durch die Kinderhilfe initiierte Projekt zur Verbesserung der Lebensqualität könnte für viele eine Chance sein – doch die Skepsis bleibt. Fälschlicherweise hinterlassen wir in diesen bescheidenen Häusern oft nur den Schatten der Hoffnung, während wir uns von den Verhältnissen erholen. Als wir aufbrechen, um der nächsten Herausforderung zu begegnen, bleibt das Bild der Dörfer und ihrer Menschen in unseren Gedanken haften, ein ständiger Reminder für die vielen ungehörten Schicksale, die sich hinter verschlossenen Türen abspielen.

Hintergrund zur Roma-Gemeinschaft in Rumänien

Die Roma-Gemeinschaft in Rumänien ist trotz ihrer langen Geschichte und kulturellen Vielfalt mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Historisch gesehen wurden die Roma oft diskriminiert und aus dem politischen und wirtschaftlichen Leben ausgeschlossen. Laut dem Europäischen Roma Integrations Jahrbuch 2020 leben schätzungsweise 1,2 bis 2,5 Millionen Roma in Rumänien, wobei viele in Armutsverhältnissen leben. Die Roma besonders in ländlichen Gegenden sind oft von sozialer Marginalisierung betroffen und haben eingeschränkten Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Arbeitsmöglichkeiten.

Die meisten Roma sprechen Rumänisch oder eine ihrer eigenen Sprachen und haben einzigartige Traditionen und Bräuche. Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede in den Lebensbedingungen innerhalb der Roma-Gemeinschaften. Während einige Familien in relativer Nähe zu städtischen Zentren leben und Zugang zu bestimmten Dienstleistungen haben, wohnen andere in isolierten Siedlungen mit begrenztem Zugang zu grundlegenden Ressourcen. Die Roma in Städten wie Făgăraș erleben oft soziale Stigmatisierung, die nicht nur ihre Lebensqualität mindert, sondern auch ihre Chancen auf eine bessere Zukunft.

Aktuelle Statistiken zur Lage der Roma in Rumänien

Laut dem Bericht „Roma Inclusion: A Guide for City Authorities“ von 2021 gibt es weiterhin weitreichende soziale und wirtschaftliche Herausforderungen für Roma-Gemeinschaften in Rumänien. Die Analyse zeigt, dass im Durchschnitt 80 % der Roma in Rumänien in Armut leben, was weit über dem nationalen Durchschnitt von etwa 25 % liegt. Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass nur 23 % der Roma-Kinder Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Bildung haben, während die Schulabbrecherquote in dieser Gruppe über 50 % liegt.

Auch die Gesundheitsversorgung bleibt ein großes Problem. Über 40 % der Roma haben keinen Zugang zu einer grundlegenden Gesundheitsversorgung, und viele haben aufgrund finanzieller Einschränkungen nicht ausreichend Zugang zu medizinischen Leistungen. Diese Faktoren tragen zur perpetuierten Armut und sozialen Isolation der Roma in Rumänien bei. Die Maßnahmen zur Verbesserung dieser Situation sind notwendig, um den betroffenen Gemeinschaften eine gerechtere Lebensperspektive zu bieten.

Einschätzung der aktuellen sozialen Projekte

Die Entwicklungen in sozialen Projekten, die auf die Integration und Unterstützung der Roma abzielen, sind von großer Bedeutung. Die EU hat bereits mehrere Initiativen in Rumänien gefördert, um die Lebensbedingungen der Roma zu verbessern. Diese Programme beinhalten Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Beschäftigung und Gesundheitsversorgung, um den sozialen Ausschluss zu verringern. Laut amnesty.org sind jedoch die Herausforderungen weiterhin groß. Kritiker bemängeln, dass viele dieser Projekte nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen und oft an den spezifischen Bedürfnissen der Gemeinschaften vorbeigehen.

Es bleibt abzuwarten, ob die Ankündigungen der Kommunalpolitik in Făgăraș, wie sie vom Bürgermeister Gheorghe Sucaciu angeführt wurden, tatsächlich zu nachhaltigen Veränderungen führen können. Die Bevölkerung erwartet nicht nur Programme, sondern auch eine ernsthafte Implementierung der Versprechen, um eine echte Chance auf bessere Lebensverhältnisse zu erhalten. Der Weg zur Integration und zur Bekämpfung von Diskriminierung ist lang und erfordert einen umfassenden Ansatz, der alle Aspekte des Lebens der Roma umfasst.

Lebt in Berlin und ist seit vielen Jahren freier Redakteur für Tageszeitungen und Magazine im DACH-Raum.
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