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Amoklauf in Solingen: Familiendrama und die unerwartete Radikalisierung

In Solingen, der 26-jährige syrische Flüchtling Issa al Hasan verübte während eines Stadtfests einen Messeranschlag im Namen des IS, bei dem er drei Menschen tötete und acht verletzte, wobei seine Familie aus Damaskus keine Erklärung für seine Radikalisierung hat.

Solingen – Issa al Hasan (26) hat beim Stadtfest in Solingen, Nordrhein-Westfalen, drei Menschen erstochen und acht weitere verletzt. Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) hat den Anschlag für sich beansprucht und bezeichnet Hasan als ihren „Soldaten“.

Bis heute gibt es keine klaren Antworten darauf, warum der syrische Flüchtling zu einem Dreifachmörder wurde. Auch seine Familie, die ein Reporter des SPIEGEL in Damaskus aufspürte, findet keine Erklärung für seine Radikalisierung. Am Tag nach der Bluttat sind vor der Stadtfest-Bühne noch Blutflecken zu erkennen, was die Grausamkeit des Vorfalls in Erinnerung ruft.

Unerwarteter Kontakt vor der Tat

Issa al Hasan hat sich nur wenige Tage vor dem Anschlag bei seiner Familie in Syrien gemeldet. Seine Schwester Fatima erzählte dem SPIEGEL: „Er war wie immer, rief uns an, lachte und machte Witze. Er sagte immer, dass es ihm gut geht und er glücklich ist. Er war ein fröhlicher Mensch, lachte und scherzte gerne, war gesellig, und jeder, der ihn traf, mochte ihn.“

Fatima betont, dass ihr Bruder bis zu seiner Abreise aus Syrien nicht gläubig war. Er habe zum Beispiel während des Ramadan nie gefastet. „Als der IS im Februar 2016 in unsere Heimatstadt vorrückte, hatte unser Vater Angst um Issa, weil junge Männer zwangsrekrutiert wurden,“ erzählt sie weiter. Daher schickte der Vater ihn zu seinen Brüdern in die Türkei. Später führte der Weg Issa nach Deutschland, wo die Familie hoffte, dass er sich niederlassen, heiraten und eine sichere Zukunft aufbauen könnte. „Wir dachten, Deutschland sei ein guter Ort, weit entfernt, und von dort werden keine Menschen abgeschoben,“ so Fatima.

Ihr Vater Chalaf ergänzt im Interview mit dem SPIEGEL: „Ich habe gebetet, dass es ein Missverständnis ist. Wir sind vor all diesen Problemen, der Gewalt geflohen. Ich denke, unser Sohn könnte so etwas nicht tun.“

Die Schwester sieht auch einen weiteren Aspekt: „Er hatte ein gutes Herz,“ sagt sie und fügt hinzu, dass die gesamte Familie unter Schock steht und fassungslos ist.

Obwohl die Details des Attentats klar sind, bleibt die Frage offen, was Issa al Hasan letztendlich zu dieser Tat trieb. Die Hintergründe seiner Radikalisierung liegen bisher im Dunkeln, was auch seine Familie vor ein nahezu unlösbares Rätsel stellt.

Lebt in Ulm und ist seit vielen Jahren freier Redakteur für Tageszeitungen und Magazine im DACH-Raum.
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