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Ganztagsschule: Ein Ansatz zur Lösung von Konflikten an Bayerns Schulen

Ein Schulleiter aus Erlangen, Bayern, beschreibt am 6. September 2024 die Halbtagsschule als die „schlimmste Form der Schule“ und warnt vor den negativen Auswirkungen auf die Konfliktbewältigung und die Erziehung der Schüler, was die Notwendigkeit von Änderungen im Bildungssystem verdeutlicht.

Eine Grundsatzdiskussion über das Bildungssystem in Deutschland ist entbrannt, als Helmut Klemm, Rektor der Eichendorffschule in Erlangen, deutliche Worte über die Herausforderungen an Halbtagsschulen fand. In einem Interview mit BuzzFeed News Deutschland beschreibt er, wie die traditionellen Schulstrukturen, die von acht bis zwölf Uhr Unterricht anbieten, nicht ausreichen, um den Bedürfnissen der Schüler gerecht zu werden.

Klemm, der in seiner Schule mit zwei Jugendsozialarbeitern und einer Sozialpädagogin arbeitet, sieht in Konflikten einen zentralen Bestandteil des Schulalltags. Er erklärt, dass laut einer repräsentativen Umfrage der Robert Bosch Stiftung fast die Hälfte der Lehrkräfte Gewalt an Schulen erlebt, von Mobbing bis hin zu physischen Auseinandersetzungen. Diese Problematik könne an Ganztagsschulen besser behandelt werden, da hier mehr Zeit für Konfliktlösung zur Verfügung stehe.

Die Herausforderungen der Halbtagsschule

„Wie kann man Kinder von acht bis zwölf Uhr erziehen?“, fragt Klemm provozierend. An den meisten Halbtagsschulen fühle sich Erziehung oft wie eine reaktive Maßnahme an. Statt aktiv und mit Bedacht zu lehren, wird in der alten Tradition reagiert, wenn Schüler Regeln brechen. Er nennt diese Herangehensweise „klassische Konditionierung“ und kritisiert damit die Art und Weise, wie Schüler eher als Objekte denn als Menschen wahrgenommen werden, die mit Gedanken und Gefühlen konfrontiert sind.

Eine „schlimmste Form der Schule“, nennt er das Unterrichtsmodell der Halbtagsschule. Klemm klagt darüber, dass der Distanz zwischen den Schulstunden der Raum für bedeutende Gespräche, Mitbestimmung und das gemeinschaftliche Lernen fehlt. Spaß und Identifikation innerhalb der Klassengemeinschaft leiden stark unter diesem einseitigen Fokus auf akademische Leistungen.

Aktuell sind in Bayern nur 1,3 Prozent der öffentlichen Realschulen als „voll gebundene Ganztagsschulen“ klassifiziert. Diese Schulen, die verpflichtend ganztägige Angebote für die Schüler bereitstellen, bieten ein ganz anderes Lernumfeld, das laut Klemm wesentlich gerechter ist. Die Kreise der offenen Ganztagsschulen, bei denen die Schüler an Aktivitäten freiwillig teilnehmen, seien für die Verringerung von Bildungsunterschieden nicht ausreichend. Klemm betont, dass Bildungsgerechtigkeit grundlegend bei der Schulplanung berücksichtigt werden muss.

Schule als Ort des Miteinanders

Er fordert eine grundlegende Neugestaltung von Ganztagsschulen. „Wir brauchen Ganztagsbildung, nicht nur Ganztagsbetreuung“, so Klemm. Er beschreibt die Ganztagsschule als Gemeinschaftsraum, in dem Lernen und Leben Hand in Hand gehen. Lehrer sollten nicht die einzigen Akteure im Schulalltag sein, sondern auch externe Partner und Vereine einbezogen werden, um Schüler ganzheitlich zu fördern.

Klemm hebt hervor, dass in anderen Ländern, wie beispielsweise Kanada, eine ganz andere Vorstellung vom Schulalltag herrscht. Dort sind nachmittägliche Aktivitäten ein fester Bestandteil des Schulsystems, und diese Kultur könnte auch in Deutschland Einzug halten, wenn die Strukturen geöffnet und erweitert werden.

Sein Appell richtet sich klar an die Verantwortlichen im Bildungssystem: Die Probleme, die in den Schulfluren Brandenburgs und Bayerns vorherrschen, sind nicht isoliert. Die Herausforderungen sind umfassend und erfordern kreative, integrative Ansätze, die über den Tabellen und Lehrplänen hinausgehen. „Schule wird nicht nur von Lehrern gemacht“, lautet Klemms eindringliche Botschaft. Nur so kann ein Umfeld entstehen, das jedem Kind ermöglicht, sein volles Potenzial zu entfalten.

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