Osterholz

Zehn Jahre nach dem Völkermord: Jesiden in Osterholz-Scharmbeck berichten

Zehn Jahre nach dem Völkermord an den Jesiden im Nordirak gedenken die Jesidinnen und Jesiden in Osterholz-Scharmbeck dem grausamen Überfall des Islamischen Staates auf Sindschar im August 2014, der tausende Todesopfer forderte und die internationale Gemeinschaft zum Handeln aufforderte.

Vor nahezu einem Jahrzehnt begann eine dunkle Geschichte für die Jesiden im Nordirak, als im August 2014 die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) die Stadt Sindschar überfiel. Die resultierenden Gräueltaten erstreckten sich über Jahre und mündeten in einen Völkermord, der unzählige Menschenleben forderte. Frauen wurden versklavt und sexuell missbraucht, während Männer massakriert und Kinder als Soldaten rekrutiert wurden. Die Vereinten Nationen haben die Zahl der Toten und Vertriebenen in die Tausende geschätzt.

Semiye Al, eine Jesidin, die die traumatischen Ereignisse nicht persönlich miterleben musste, leidet dennoch unter den Folgen dieses Unrechts. „Das sind alles unsere jesidischen Leute“, erklärt die 39-Jährige und fügt hinzu, dass es für sie keinen Unterschied macht, ob sie mit den Opfern verwandt ist oder nicht. Diese empathische Haltung zeigt, wie stark das Kollektivgefühl innerhalb der Gemeinschaft ist. Die Berichterstattung über die Geschehnisse schockiert sie auch Jahre später immer noch. „Es tut uns weh“, sagt sie, während sie betont, dass die internationale Gemeinschaft viel zu spät reagiert hat.

Jahrelange Verfolgung

Semiye Al selbst floh im Jahr 1989 mit ihren Eltern und ihren 17 Geschwistern aus der Türkei nach Osterholz-Scharmbeck. Zu dieser Zeit erlebten die Kurden, zu denen auch die Jesiden gehören, eine brutale Verfolgung. Ihr Vater wurde von Dorfbewohnern gewarnt, dass die Familie in der Türkei nicht mehr sicher sei, und so begann ihre Reise ins Ungewisse. In Osterholz-Scharmbeck fand die Familie eine neue Heimat, und Al wuchs in einer Mädchengruppe am Pumpelberg auf.

Die Jesiden haben in der Vergangenheit schwere Zeiten durchlebt, die bis in die Zeit des Osmanischen Reiches zurückreichen. Verfolgungen und Zwangskonvertierungen zum Islam prägten das Leben dieser Glaubensgemeinschaft. Die Frage, warum sie immer wieder zur Zielscheibe werden, bleibt für Al ungeklärt. Ihr Verständnis ist, dass es an einem Mangel an Respekt für ihren Glauben liegt. „Wir kennen diesen Hass nicht“, sagt sie und betont, dass sie Menschen aller Glaubensrichtungen als gleichwertig betrachtet.

Eingebettete Spiritualität

Die Jesidische Glaubensgemeinschaft hat ihre eigenen religiösen Überzeugungen und Praktiken, die tief in Tradition und Spiritualität verwurzelt sind. Zentrale Figuren ihres Glaubens sind Melek Taus, der Pfau, und sieben Engel. Scheich Adi ibn ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten innerhalb des Jesidentums, dessen Grab in Lalisch im Nordirak ein beliebtes Wallfahrtsziel ist. Al plant, diesen spirituellen Ort eines Tages zu besuchen und betont, dass jeder dort willkommen ist, solange er die kulturellen Regeln beachtet, wie das Ablegen von Schuhen beim Betreten der Tempel.

Die religiösen Feste der Jesiden weisen Parallelen zum Christentum und Islam auf. Es ist eine Mischung aus österlichen Bräuchen und Fastenzeiten, die durch eine Vielzahl von Feiertagen gekennzeichnet sind. Al erklärt, dass der Sommer 40 Fastentage umfasst, während der Winter weitere zwölf bis vierzehn Tage bereithält. Ein gemeinsames Merkmal ist das Fasten zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang, was den spirituellen Aspekt des Glaubens unterstreicht.

Die jesidische Gemeinschaft in Osterholz-Scharmbeck ist mit etwa 100 Familien vertreten. Seit der Eskalation der Gewalt im Irak sind neue Mitglieder zugekommen, und insgesamt zählen die Jesiden im Landkreis 300 bis 400 Familien. Dies zeigt die Resilienz und den Zusammenhalt der Community trotz der wiederholten Verfolgung und des Traumas.

Al spricht auch über die gesellschaftliche Struktur der Jesiden, die in drei Kasten unterteilt ist: die Pir, die Scheichs und die Mird. Jede Kaste hat ihre eigene Rolle innerhalb der Gemeinschaft, wobei die Pir und Scheichs beratende Funktionen einnehmen, während die Mird die größte Gruppe darstellen. Al betont, dass Jesiden nur untereinander heiraten dürfen, da sie das Überleben ihrer Kultur und Identität fördern möchten.

Semiye Al ist eine starke Stimme für ihre Gemeinschaft, die sich wünscht, dass ihre Kinder, zwei Jungen und zwei Mädchen, ihre eigenen Traditionen und den Glauben bewahren. „Ich wünsche mir, dass sie Jesiden heiraten“, sagt sie mit Nachdruck. Der Schutz ihrer Kultur und Identität bleibt für Al und die gesamte jesidische Gemeinschaft im Exil von entscheidender Bedeutung.

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