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Krisendienst Berlin: „Ich will so nicht mehr leben!“ – Ein Aufruf zur Hilfe

Am Welttag der Suizidprävention enthüllt Krisenberater Winfried Glatz, dass kaum jemand den Wunsch hat, sich das Leben zu nehmen, sondern vielmehr verzweifelt nach Auswegen aus seiner unerträglichen Lebenssituation sucht, während die Suizidraten in Berlin und Brandenburg seit 2017 alarmierend steigen.

Der 10. September ist weltweit ein bedeutender Tag, der dem Thema Suizidprävention gewidmet ist. Dieser Tag wurde im Jahr 2003 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der International Association for Suicide Prevention (IASP) ins Leben gerufen. Ziel ist es, das Bewusstsein für Suizidgedanken zu schärfen und Menschen in schwierigen Zeiten Hilfestellungen anzubieten. In Berlin und Brandenburg steigt die Zahl der Suizidfälle seit 2017 deutlich an, eine Entwicklung, die die Region stark betrifft.

Winfried Glatz, der beim Krisendienst in Berlin-Pankow und Reinickendorf arbeitet, ist einer von vielen, die täglich mit Menschen sprechen, die in ihrem Leben keinen Ausweg mehr sehen. Im Gespräch mit rbb|24 beschreibt er die Herausforderungen und Vorgehensweisen, die notwendig sind, um Menschen in akuten Krisen zu helfen. Dabei geht es oft darum, den Moment der Isolation zu durchbrechen – ein entscheidender Schritt in Richtung Prävention.

Der Umgang mit Suizidgedanken

Wenn jemand anruft und Suizidgedanken äußert, beginnt der Gesprächsprozess mit Fragen, die die Situation näher ergründen. Glatz erklärt, dass es entscheidend ist, zunächst zu verstehen, wie akut die Gedanken sind. Fragen wie: „Hattest du in der Vergangenheit schon einmal einen Suizidversuch?“ oder „Wie konkret sind deine Gedanken?“ helfen, die Schwere der Situation besser einzuschätzen. Insbesondere Männer sind häufig von Suizid betroffen, was Glatz mit der sozialen Erwartung erklärt, dass Männer weniger über ihre Gefühle sprechen und oft keine Hilfe annehmen.

„Kaum ein Mensch hat den Wunsch, sich zu töten oder tot zu sein. Vielmehr äußern sie ein starkes Bedürfnis, aus ihrer gegenwärtigen Lebenssituation zu entkommen“, so Glatz. Es ist wichtig, diesen Wunsch nach Veränderung zu erkennen und mögliche Alternativen aufzuzeigen. Oft sind es kleine Dinge, wie z.B. die Verantwortung für andere, die Menschen in schwierigen Zeiten wieder an ihre Lebensfreude erinnern können.

Wenn die Gefährdung als ernst eingestuft wird, folgt der nächste Schritt: Der Mensch muss in einen engeren Kontakt gebracht werden, um weitere Isolation zu verhindern. Laut Glatz ist es entscheidend, dass Personen, die sich in einer akuten Krise befinden, nicht alleine bleiben. Gespräche und das Aufzeigen von Perspektiven spielen eine wichtige Rolle im Hilfsprozess.

Statistische Daten und Trends

Die Zahlen aus Berlin und Brandenburg sind alarmierend. Im Jahr 2022 gab es in Berlin 447 Suizidtote, in Brandenburg waren es 363. Im Vergleich zum Vorjahr waren es deutlich mehr Suizide, während die Zahlen für Verkehrsunfälle niedriger sind. Besonders betroffen sind ältere Menschen, insbesondere jene zwischen 60 und 90 Jahren. Diese demographische Tatsache zeigt, dass Suizidgedanken nicht nur junge Menschen betreffen, sondern auch viele Senioren, die oft an Einsamkeit und Krankheiten leiden.

Die Herausforderungen liegen oft im Umgang mit chronischen Krankheiten, die schwerwiegende Auswirkungen auf das Lebensgefühl und die Perspektiven der Betroffenen haben können. Für Glatz besteht die größte Aufgabe darin, Hope zu vermitteln und zu zeigen, dass Lebenssituationen veränderbar sind.

Gerade wenn es um Männer geht, gibt es Hinweise, dass sie dazu neigen, härtere Methoden zu wählen und weniger dazu bereit sind, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wie in vielen Beratungsstellen stellt sich hier ein auffälliges Ungleichgewicht dar: Frauen suchen etwa doppelt so oft Hilfe wie Männer. Dies könnte daran liegen, dass viele Männer eine Hilfesuche als Misserfolg empfinden und Schwierigkeiten mit dem Umgang ihrer eigenen Gefühle haben.

Die Bedeutung der Kommunikation und des Verständnisses ist in Krisensituationen von größter Wichtigkeit. Glatz stellt fest, dass das Ziel der Gespräche häufig darin liegt, Menschen einen neuen Weg aufzuzeigen. Dies kann stark motivieren und Hoffnung spenden – etwas, das in Krisenzeiten häufig fehlt. Durch das Teilen von Erfahrungen versichern viele, dass sie nun froh sind, einen Suizidversuch überlebt zu haben, da sie nun wissen, dass es auch in ausweglosen Situationen einen Weg zurück gibt.

Dieser Austausch von Lebensgeschichten kann sowohl für den Betroffenen als auch für den Berater eine wertvolle Erkenntnis darstellen. Glatz erläutert, dass die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit und die Überwindung schwerer Krisen sehr präventive Auswirkungen haben können. Besonders jüngere Menschen, die noch nicht viele Lebenskrisen erfahren haben, empfinden oft eine tiefere Resignation.

Für alle, die Unterstützung benötigen oder mit Selbsttötungsgedanken kämpfen, gibt es zahlreiche Hilfsangebote, und es ist wichtig, in schwierigen Zeiten Hilfe zu suchen. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr erreichbar und bietet anonymen Beistand an. Telefonnummern wie 0800 111 0 111 oder die Hotline für Kinder und Jugendliche unter 116 123 stehen bereit.

Für eine tiefere Analyse und mehr Informationen über die aktuelle Situation der Suizidprävention und die begleitenden Maßnahmen, sehen Sie die Berichterstattung auf www.rbb24.de.

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