Sigmaringen

Rettungsdienst im Wandel: Herausforderungen und Wertschätzung im Alltag

Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr belastet täglich Sanitäter wie Philipp Halder und Sophia Di Bari, die bei Unfällen oft auf egozentrische Autofahrer und besorgte Angehörige stoßen, was ihre lebensrettende Arbeit erschwert – ein besorgniserregender Trend, der zeigt, wie die Gesellschaft sich verändert und die Unterstützung für Rettungskräfte notwendiger denn je macht.

Im Einsatz als Sanitäter zu arbeiten, bedeutet für Philipp Halder und Sophia Di Bari nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung. Das Helfen in Notlagen, das dynamische Arbeiten im Team und der tägliche Umgang mit Unvorhergesehenem prägen ihren Arbeitsalltag im Rettungsdienst. Doch die Veränderungen in der Gesellschaft hinterlassen immer deutlicher ihre Spuren, die sich negativ auf ihre Arbeit auswirken.

Halder, seit 20 Jahren als Notfallsanitäter beim DRK-Kreisverband unterwegs, beobachtet eine besorgniserregende Entwicklung. „Wir leben in einer Zeit der Schnelllebigkeit und Sozialen Medien“, sagt er. „Menschen sind zunehmend auf ihre eigenen Probleme konzentriert, was dazu führt, dass Rücksichtnahme im Straßenverkehr abnimmt.“ Ein Vorfall, den Halder kürzlich erlebte, verdeutlicht dies: Ein Handwerker wollte einen Unfallort umfahren und dabei zeigte er sich wenig kooperativ, bis Halder drohte, die Polizei zu rufen. Erst dann war der Mann bereit, den Einsatz der Rettungskräfte nicht weiter zu stören.

Die Herausforderung durch Gaffer und Angehörige

Ein zentraler Punkt, der die Arbeit der Rettungskräfte zusätzlich erschwert, ist das vermehrte Auftauchen von Angehörigen an Unfallstellen. Lothar Schneider, Bereichsleiter des Rettungsdienstes, betont: „Jeder hat ein Handy dabei, sodass häufig Angehörige informiert werden, die dann an der Unfallstelle erscheinen.“ Halder ergänzt, dass die zusätzliche Verantwortung für die Betreuung dieser Personen dazu führe, dass die Sanitäter ihre Einsätze neu organisieren müssen. Es ist nicht nur eine Herausforderung, die medizinische Hilfe rationell zu leisten, sondern auch zwischen der eigentlichen Hilfe und der emotionalen Unterstützung der Angehörigen zu balancieren.

Hinzu kommt das Phänomen der „Gaffer“, die oft mit ihren Handys den Einsatz der Rettungskräfte filmen oder beobachten, was die Situation noch komplizierter macht. Durch die rasante Verbreitung von Informationen über soziale Netzwerke wissen viele sofort von einem Einsatz und kommen schnell zur Unfallstelle. „Das führt dazu, dass wir ständig mit Menschen umgehen müssen, die nicht direkt an dem Vorfall beteiligt sind und sich oft unangemessen verhalten“, sagt Halder.

Trotz dieser Herausforderungen gibt es auch positive Aspekte im Alltag der Rettungskräfte. Die meisten Sanitäter erhalten nach der Übergabe der Patienten im Krankenhaus oft eine Form der Wertschätzung. Halder meint dazu: „Anrufe oder Karten sind zwar eher selten, aber ein einfaches Danke nach einem Einsatz ist oft genug, um den anspruchsvollen Job etwas angenehmer zu gestalten.“

Die Bedeutung von sozialer Unterstützung und Ausgleich

Die psychologische Unterstützung, die sie nach schwierigen Einsätzen erhalten, ist für Halder und Di Bari von großer Bedeutung. Sie betonen, wie wichtig es ist, über belastende Erfahrungen sprechen zu können, um den psychischen Druck, der mit ihrem Beruf einhergeht, abbauen zu können. „Ich habe einen Hund, mit dem ich gerne spazieren gehe. Solche kleinen Auszeiten helfen mir, abzuschalten“, erklärt Halder. Di Bari findet ihren Ausgleich in der Zeit, die sie mit ihrem Pferd verbringt. „Die Verbindung zur Natur und die ruhigen Momente helfen mir ebenfalls, den Stress abzubauen“, sagt sie.

Die Veränderungen in der Gesellschaft wirken sich also nicht nur auf die Herausforderungen im Beruf aus, sondern bringen auch neue Ansprüche und Erwartungen mit sich, die das Team ständig anpassen muss. Täglich mit ungewissen Situationen konfrontiert zu werden, erfordert nicht nur professionelle Fähigkeiten, sondern auch ein hohes Maß an Empathie und Resilienz bei den Sanitätern im Rettungsdienst.

Ein Danke für die geleistete Hilfe reicht mir oft.

Philipp Halder

Technologische Entwicklungen im Rettungsdienst

Der Rettungsdienst hat in den letzten Jahren erhebliche technologische Fortschritte gemacht. Smartphones und Tablet-Computer sind mittlerweile Standardausstattung in vielen Rettungsfahrzeugen. Diese Geräte ermöglichen es Rettungskräften, Patientendaten schneller zu erfassen und zu übermitteln. Ein Beispiel für eine solche technologische Innovation ist die digitale Patientenakte, die es rettenden Kräften erlaubt, direkt vor Ort auf medizinische Informationen zuzugreifen und diese mit Krankenhäusern zu teilen.

Darüber hinaus gewinnen Telemedizin und digitale Kommunikationssysteme zunehmend an Bedeutung. Sie ermöglichen eine sofortige Verbindung zu medizinischen Fachkräften während des Einsatzes, sodass die Rettungskräfte vorab wichtige Hinweise zur Behandlung der Patienten erhalten können. Quellen wie die Bundesregierung berichten von positiven Effekten dieser Technologien auf die Effizienz und die Ergebnisqualität im Rettungsdienst.

Herausforderungen und Risiken im Rettungsdienst

Die Arbeit im Rettungsdienst ist nicht nur herausfordernd, sondern auch mit verschiedenen Risiken verbunden. Studien haben gezeigt, dass Rettungskräfte häufig einem hohen Stressniveau ausgesetzt sind, das durch unvorhersehbare Einsätze und die Verantwortung für das Leben anderer entsteht. Laut einer Untersuchung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin berichten viele Rettungskräfte von emotionaler Erschöpfung und einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen.

Zudem gibt es Berichte über Angriffe auf Rettungskräfte während ihrer Einsätze. Die Deutsche Rote Kreuz hat in den letzten Jahren vermehrt auf die Notwendigkeit von Schulungen und Sicherheitsvorkehrungen hingewiesen, um das persönliche Risiko für die Mitarbeiter im Rettungsdienst zu minimieren.

Wertschätzung und gesellschaftliche Anerkennung

Die gesellschaftliche Anerkennung der Arbeit im Rettungsdienst hat zugenommen, jedoch gibt es in der Öffentlichkeit oftmals ein Missverständnis über die Herausforderungen des Berufs. Eine Umfrage des Institut für Demoskopie Allensbach ergab, dass 65 % der Befragten die Arbeit von Rettungskräften als sehr wichtig erachten, jedoch nur 30 % bereit sind, sich aktiv für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen einzusetzen.

Diese Diskrepanz zwischen Wertschätzung und tatsächlicher Unterstützung zeigt sich beispielsweise in der Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen, wie mehr Personal und verbesserte Ausstattung. Der derzeitige Fachkräftemangel im Rettungsdienst setzt zudem zusätzliche Belastungen für die vorhandenen Mitarbeiter in diesem Bereich.

Lebt in Hannover und ist seit vielen Jahren freier Redakteur für Tageszeitungen und Magazine im DACH-Raum.
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