Neue Fortschritte auf dem Gebiet der Alzheimer-Diagnose zeigen sowohl vielversprechende Ansätze als auch große Herausforderungen. Eine aktuelle multizentrische Studie unter der Leitung der Universitätsmedizin Halle beleuchtet die Rolle von p-Tau-Proteinen, die in letzter Zeit als potenzielle Biomarker für die Früherkennung der Alzheimer-Krankheit diskutiert werden. In der Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde, nahm eine Gruppe von 385 Proband:innen teil, darunter 111 Alzheimer-Patient:innen und 152 ALS-Patient:innen.
Ein zentrales Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass die p-Tau-181-Werte im Blut von ALS-Patient:innen nicht nur erhöht sind, sondern mindestens so hoch wie bei Alzheimer-Patient:innen. Darüber hinaus wurde erstmals auch erhöhtes p-Tau 217 in ALS-Fällen nachgewiesen. Diese Ergebnisse werfen Fragen zur Spezifität der p-Tau-Tests auf. „Die Tests sind nicht so spezifisch für Alzheimer wie ursprünglich angenommen“, so die Studienautoren. Der Befund könnte die gängige Annahme in Frage stellen, dass solche Biomarker nur im Kontext von Alzheimer relevant sind. Daher wird der dringende Bedarf an genaueren und spezifischeren Tests zur Früherkennung von Alzheimer betont.
Die Herausforderung der Diagnose
Zusätzlich zeigt die Studie, dass die derzeit verwendete Lumbalpunktion, eine Methode zur Gewinnung von Nervenwasser, für viele Patienten belastend ist. Bluttests könnten die Diagnose erheblich erleichtern, da sie eine weniger invasive Alternative bieten. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass Muskelgewebe von ALS-Patient:innen selbst p-Tau produzieren kann, was die Annahme, dass Blutmarker nur aus dem Gehirn stammen, in Frage stellt.
Ebenfalls wird darauf hingewiesen, dass positive Ergebnisse aus Tests zwecks Alzheimer-Früherkennung unbedingt durch weitere neuropsychologische Analysen oder bildgebende Verfahren verifiziert werden sollten. Dies ist besonders wichtig, da die frühzeitige Identifikation von Alzheimer-Patienten für die Entwicklung und Anwendung neuer Antikörpertherapien von entscheidender Bedeutung ist.
Der Fokus auf Tau-Proteine
Die Bedeutung von Tau-Proteinen wird ebenfalls im Kontext der Grundlagenforschung beleuchtet. Laut einer Untersuchung des Max Planck Instituts für Biochemie, die im Projekt „REVERSING TAUOPATHY“ durchgeführt wird, spielt die Struktur des Tau-Proteins eine entscheidende Rolle bei der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer. In gesunden Nervenzellen stabilisieren Tau-Proteine die Mikrotubuli, während es bei Alzheimer zu einer Ablösung und anschließenden Aggregation kommt, die die neuronale Kommunikation stört.
Die Forscher haben vielversprechende Ansätze zur Auflösung dieser Tau-Proteinansammlungen entwickelt. Erste Ergebnisse zeigen, dass Tau-Ansammlungen in einem spezifischen Medium ohne Aminosäuren sowie durch das Ausschalten der Tau-Protein-Expression aufgelöst werden können. Sowohl diese als auch andere Studien verdeutlichen den dringenden Bedarf an neuen Therapeutika, um die Ablagerungen von Tau-Proteinen zu bekämpfen, die stärker mit den kognitiven Symptomen der Alzheimer-Krankheit korrelieren als die oft fokussierten Amyloid-Plaques.
Fortschreitende Forschung und Therapiefortschritte
Das Projekt „Wirkstoffsuche gegen Ablagerungen des Tau-Proteins“ führte zwischen 2020 und 2022 zu bedeutenden Fortschritten in der Identifizierung neuer Wirkstoffkandidaten gegen Tau-Ablagerungen. Unter der Leitung von PD Dr. Max Holzer am Universitätsklinikum Leipzig wurden während der insgesamt zwei Jahre 2000 Wirkstoffe getestet, von denen zwei als besonders vielversprechend identifiziert wurden. In präklinischen Studien sollen deren Wirksamkeit weiter getestet werden, um schließlich auch den therapeutischen Einsatz im Kampf gegen Alzheimer zu prüfen.
Diese Forschung zeigt die beeindruckenden Fortschritte und Herausforderungen in der Erforschung der Alzheimer-Krankheit und den damit verbundenen Tau-Protein-Pathologien auf. Die Wissenschaftler hoffen, durch ihre Arbeiten nicht nur die Mechanismen der Tau-Bildung besser zu verstehen, sondern auch solide Ansatzpunkte für künftige Therapien zu gewinnen.