Am vergangenen Wochenende kam es in Krogaspe, im Kreis Rendsburg-Eckernförde, zu einem erschreckenden Vorfall auf dem Fußballplatz. Ein harmloses Foulspiel eskalierte in eine chaotische Auseinandersetzung, die mehrere Verletzte zur Folge hatte und letztendlich das Spiel abbrach. Laut NDR Schleswig-Holstein ist dies nicht der erste Vorfall dieser Art, und die Frage drängt sich auf: Wie steht es um die Gewalt im Amateurfußball in Schleswig-Holstein?
Die Situation auf den Plätzen ist angespannt. Schiedsrichter Tim-Marvin Meyer, der seit 13 Jahren im Einsatz ist, berichtet von einem zunehmenden Druck, der von den Zuschauern ausgeht. „Die Zuschauer denken oft, wenn sie Eintritt gezahlt haben, haben sie einen Freifahrtschein zum Pöbeln und Beleidigen“, erklärt er. Diese aggressive Stimmung trägt zur Eskalation von Konflikten bei, die nicht nur die Spieler, sondern auch die Schiedsrichter betreffen.
Positive Entwicklungen und besorgniserregende Vorfälle
Trotz der erschreckenden Vorfälle zeigt eine aktuelle Statistik des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), dass die Gewalt im Fußball in Schleswig-Holstein insgesamt rückläufig ist. In der Saison 2023/2024 wurden 68 Fälle von Gewalt und 65 Fälle von Diskriminierung registriert, was einem Rückgang von 21 Prozent beziehungsweise 13 Prozent im Vergleich zur vorherigen Saison entspricht. Dennoch bleibt die Zahl der abgebrochenen Spiele mit 17 ein besorgniserregendes Signal. Pro Wochenende finden in Schleswig-Holstein etwa 2.500 Partien statt, und jeder Vorfall wirft einen Schatten auf den Sport.
SHFV-Geschäftsführer Tim Cassel betont, dass jeder Vorfall einer zu viel ist und dass es eine Dunkelziffer gibt, die nicht in den offiziellen Statistiken erfasst wird. Trainer Michael Gerken, der seit 45 Jahren im Fußball aktiv ist, beschreibt die Atmosphäre als zunehmend aggressiv. „Früher hat man nach dem Spiel ein Bier zusammen getrunken. Heute geht man sich an die Wäsche“, sagt er und fordert Maßnahmen wie die Einführung von Zeitstrafen und den Einsatz erfahrener Schiedsrichter bei riskanten Spielen.
Neue Regeln zur Deeskalation
Um die Situation zu verbessern, wurden in dieser Saison neue Regeln eingeführt. Die Stoppregel ermöglicht es Schiedsrichtern, die Teams für einige Minuten in ihre Strafräume zu schicken, um die Gemüter zu beruhigen. Zudem darf nur noch der Mannschaftskapitän mit dem Schiedsrichter über strittige Szenen diskutieren. Diese Regelung, die nach der Europameisterschaft 2024 bekannt wurde, soll ständige Diskussionen und Rudelbildungen verhindern. Meyer berichtet, dass die Kapitänsregel bereits positive Rückmeldungen erhalten hat und ihm als Schiedsrichter hilft, mehr Akzeptanz zu gewinnen.
Die Bemühungen um Prävention sind ebenfalls ein zentraler Bestandteil der Strategie des Schleswig-Holsteinischen Fußballverbands. Seit 2007 läuft das Projekt „Schleswig-Holstein kickt fair“, das sich mit dem Thema Gewalt im Fußball auseinandersetzt. Cassel erklärt, dass die Ausbildung von Trainern und Schiedsrichtern auch die Themen Gewalt und Respekt umfasst. „Der Fußball ist ein Brennglas der Gesellschaft“, so Cassel, und die Konflikte auf dem Platz spiegeln oft größere gesellschaftliche Probleme wider.
Die Kieler Sozialpsychologin Frederike Stucke ergänzt, dass Wettkampf und Respekt sich nicht ausschließen sollten. „Es ist wichtig, dass der gegenseitige Respekt im Sport und in der Gesellschaft gewahrt bleibt“, betont sie. Diese Botschaft ist entscheidend, um die Spirale der Gewalt im Fußball zu durchbrechen und eine positive Atmosphäre auf den Plätzen zu fördern.
Insgesamt zeigt sich, dass trotz der positiven Entwicklungen im Amateurfußball in Schleswig-Holstein die Herausforderungen nicht zu unterschätzen sind. Die Kombination aus neuen Regeln, präventiven Maßnahmen und einem klaren Bekenntnis zu Respekt und Fairness könnte der Schlüssel sein, um die Gewalt auf den Plätzen weiter zu reduzieren und den Fußball zu einem sicheren und freundlichen Sport zu machen.