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Frankfurt: Seyla Benhabib fordert Dialog gegen die Identitätskrise

Seyla Benhabib wurde am 11. September in der Paulskirche Frankfurt mit dem Adorno-Preis ausgezeichnet und betonte in ihrer Dankesrede die Bedeutung des Dialogs in Zeiten von Konflikten und Identitätsdenken, während sie auf die Lehren von Theodor W. Adorno und ihre eigene Verbindung zur Frankfurter Schule hinwies.

In einer bewegenden Zeremonie wurde die renommierte Philosophin Seyla Benhabib mit dem Adorno-Preis in der Frankfurter Paulskirche ausgezeichnet. Die Ehrung, die mit einem Preisgeld von 50.000 Euro verbunden ist, fand anlässlich des 120. Geburtstags von Theodor W. Adorno statt, einem der bekanntesten Gedanken der Frankfurter Schule. Benhabib, die in der Türkei als Tochter jüdischer Eltern geboren wurde und lange Zeit in den USA lehrt, hob in ihrer Dankesrede die Bedeutung von Dialog und einer erweiterten Denkungsweise hervor. Das Verstehen unterschiedlicher Perspektiven sei entscheidend, besonders in Zeiten, in denen die Gesellschaft von Streitfragen wie Migration und Klimawandel geprägt ist.

Die 1950 geborene Denkerin, die einen engen Bezug zur Frankfurter Schule hat, betonte in ihrer Ansprache, wie wichtig es ist, Konflikte aushalten zu können. „Es gibt keinen Weg, an einem Dialog vorbeizukommen“, erklärte sie zu den Herausforderungen der gegenwärtigen Zeit. Benhabib, die zehn Jahre in Frankfurt lebte, erinnerte sich an ihre Anfänge als junge Philosophin und an die Bedeutung des Max-Planck-Instituts, wo sie Jürgen Habermas traf, der 1980 ebenfalls mit dem Adorno-Preis ausgezeichnet wurde. Ihre Dankesrede hielt sie auf Deutsch, was ihren tiefen persönlichen Bezug zu Frankfurt unterstrich.

Erinnerungen an eine Denktradition

Benhabib sprach auch über ihre Erinnerungen an die Frankfurter Intellektualität und die Auseinandersetzungen aus ihrer Studienzeit. Sie schilderte, wie Frankfurt in den 1970er Jahren ein Zentrum der philosophischen Diskussion und des jüdischen Lebens war. Diese Zeit war geprägt von unterschiedlichen Meinungen zu gesellschaftlichen Konflikten, etwa dem Vietnamkrieg und der Palästinafrage. Ihre Ausführungen verdeutlichten, wie wichtig der Austausch von Ideen und das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Weltanschauungen sind.

Ihr Laudator, der Wissenschaftshistoriker Martin Jay, lobte sie als eine Schlüsselfigur in der Philosophie, deren Ideen auch für die gegenwärtigen Herausforderungen relevant seien. Er betonte, dass Benhabib nicht nur als Lehrerin großer Denker in Erinnerung bleiben werde, sondern auch für ihre Fähigkeit, verständlich und anwendbar auf die Realität ihrer Zeit zu reagieren.

Ein zentrales Thema ihrer Rede war die Forderung, die negativen Aspekte der gegenwärtigen Weltlage – Kriege, Migration und steigende Armut – nicht in identitärer und abschottender Denkweise zu verarbeiten, sondern in eine Form non- identitärer Solidarität zu transformieren. „Die negative Universalität unserer Gegenwart in eine nicht-identitäre Solidarität zu verwandeln“, so Benhabib, sei das Vermächtnis Adornos.

Diese klare dazu aufgerufene Verbindung zwischen Adornos Leben und Werk und den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen spiegelt sich in Benhabibs philosophischem Ansatz wider. Anstatt die philosophische Diskussion auf eine einzige Sichtweise zu reduzieren, fordert sie dazu auf, die Vielfalt menschlicher Erfahrungen und Meinungen zuzulassen und zu fördern.

Benhabib hat in ihrer Rede auch auf den gegenwärtigen Moralitätsdiskurs verwiesen, in dem die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Denkern und deren politischen Ansichten fortwährend relevant bleibt. „Man muss nicht die politischen Überzeugungen von Denkern, die man schätzt, teilen“, so Benhabib, was ihre Bereitschaft zeigt, auch innerhalb der philosophischen Gemeinschaft konstruktiv zu diskutieren und unterschiedliche Meinungen zu respektieren.

Die Verleihung des Adorno-Preises an Benhabib stellt nicht nur eine Anerkennung ihrer Arbeit dar, sondern auch einen wichtigen Moment für die Philosophie insgesamt. Der Preis, der seit 1977 an Adornos Geburtstag vergeben wird, würdigt nicht nur die Leistung von Benhabib, sondern trägt auch die Reflexion über die zeitgenössischen Probleme unserer Gesellschaft in die Öffentlichkeit. Ihre Stimme, so wird erwartet, wird weiterhin eine bedeutende Rolle im philosophischen Diskurs spielen und die Debatten über Identität, Solidarität und kulturelle Vielfalt vorantreiben.

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