Gießen

Antisemitismus-Diskussion in Gießen: Friedman ruft zur Zivilcourage auf

In Gießen fand am 04.09.2024 eine Podiumsdiskussion unter der Moderation von Laura Cazés statt, bei der prominente Gäste wie Michel Friedman und Hanna Veiler über die zunehmende Entgrenzung von Antisemitismus, insbesondere nach dem Hamas-Terrorangriff vom 7. Oktober, diskutierten, während ein Störer das Gespräch durch Beschimpfungen störte und schließlich aus dem Saal geworfen wurde.

In der Aula der Justus-Liebig-Universität in Gießen fand kürzlich eine Podiumsdiskussion statt, die sich mit einem drängenden Thema auseinandersetzte: Antisemitismus im politischen Raum. Trotz einer gut gefüllten Aula und einem informativen Panel war die Stimmung durch die jüngsten Ereignisse, insbesondere den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober, gehemmt. Moderiert von Laura Cazés, nahmen unter anderem der Politikwissenschaftler Jakob Baier, die Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands, Hanna Veiler, und der prominente Journalist Michel Friedman an der Diskussion teil.

Die Veranstaltung wurde von Nabor Keweloh und Simon Beckmann für die Juso-Hochschulgruppe Gießen sowie den Verband Jüdischer Studenten Hessen organisiert, um die steigende Welle antisemitischer Gewalt, besonders an Hochschulen, ins Licht zu rücken. Friedman, der sichtlich betroffen war, erinnerte sich an seine eigene Schulzeit vor 50 Jahren und stellte fest, dass sich die Lage für jüdische Menschen nicht verbessert, sondern eher verschlechtert hat. Er stellte die Frage: „Hat sich seitdem etwas verändert?“ und warb für ein verstärktes Engagement gegen Diskriminierung.

Anstieg des Antisemitismus und politischer Extremismus

Im Verlauf der Diskussion äußerte Friedman Besorgnis über die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen und die Bedeutung der AfD als eine offen rechtsextreme Partei, die durch demokratische Wahlen legitimiert wurde. Er warnte, dass, obwohl sie demokratisch gewählt sei, dies nicht automatisch bedeute, dass sie auch demokratisch agiere. Alarmiert zeigte er sich insbesondere über die hohe Unterstützung der AfD unter jungen Menschen, was auf eine wachsende Jugendkultur hindeutet, die rechtsextreme Ansichten verbreitet.

Diese Aussagen provozierten einen Zwischenruf eines stadtbekannten Störers, der Friedman aus der Reihe heraus als „Hetzer“ beschimpfte. Trotz mehrfacher Versuche von Friedman, mit dem Störer ins Gespräch zu kommen, wurde dieser nach 20 Minuten des Gebrülls aus dem Saal verwiesen. Dies verdeutlichte die angespannten und emotionalen Themen, mit denen die Diskutierenden konfrontiert waren.

Im Rahmen der Diskussion thematisierte Hanna Veiler die erschreckenden Realität, mit der jüdische Studenten konfrontiert sind. Sie berichtete von antisemitischen Plakaten und einer allgegenwärtigen Forderung nach der Auslöschung Israels, die in vielen Hochschulen verbreitet werden. Die Gewalt, die häufig auch im digitalen Raum stattfindet, habe das Selbstbewusstsein ihrer Generation erschüttert. Der antisemitische Anschlag auf eine Synagoge hinterließ tiefe Narben und veränderte das Selbstbild vieler junger Juden in Deutschland.

Jakob Baier beschrieb den aktuellen Zustand des Antisemitismus als eine „absolute Entgrenzung“, bei der Vorfälle in einem so schnellen Rhythmus geschehen, dass sie kaum noch ausreichend skandalisiert werden können. Seine Worte unterstrichen die Dringlichkeit des Themas und die Unfähigkeit, regelmäßig auf die anhaltende Bedrohung durch antisemitische Übergriffe zu reagieren.

Ein besonderer Moment war Friedmans Appell an die Zuhörer zur Zivilcourage. Er betonte, dass es nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern eine Selbstverständlichkeit sei, einzugreifen, wenn die Würde eines Menschen verletzt werde. Diese Haltung könnte entscheidend sein im Kampf gegen Diskriminierung aller Art, nicht nur gegen Antisemitismus.

Friedmans Autobiografie und seine eigene Geschichte spielten ebenfalls in die Diskussion hinein. Er verwies auf die Bedeutung von individuellen Taten der Menschen, die in der Lage sind, in kritischen Momenten zu helfen. Er selbst verdankt sein Überleben Oskar Schindler, der während des Holocausts zahlreiche jüdische Leben rettete. Mit dieser persönlichen Note schuf er eine Verbindung zu den jüngeren Diskutanten und deren Erfahrungen.

Die Diskussion endete, ohne dass eine klare Lösung präsentiert wurde, aber sie schuf einen Raum für den Austausch von Gedanken über ein ernstes Thema, das weiterhin Teil der deutschen politischen Landschaft ist. Die Gesprächspartner standen am Puls eines Phänomens, das nicht nur historisch, sondern auch gegenwärtig und zukunftsorientiert betrachtet werden muss.

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