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Die Spitzmühle in Buseck: Traditionelles Mahlen für die Region

Die Spitzmühle in Buseck, die seit über 350 Jahren in Betrieb ist und von Sebastian Balser-Kutt betrieben wird, stellt nach wie vor täglich 1,5 Tonnen hochwertiges Mehl her und ist damit eine der letzten ihrer Art im Landkreis Gießen.

Eine besondere Tradition des Müllerhandwerks lebt in der kleinen Gemeinde Buseck, wo die Spitzmühle weiterhin Mehl aus regionalem Getreide mahlt. Sie ist eine der letzten Mühlen in Hessen, die noch auf die traditionelle Art Korn zu Mehl verarbeitet. Außen kann man das Mühlrad in seinem Element sehen, während drinnen Sebastian Balser-Kutt mit einem Sack Weizenkörnern an der Mühle beschäftigt ist. Diese Mühle ist seit über 350 Jahren ein fester Bestandteil der Region.

Gegründet ist die Geschichte der Spitzmühle bereits im Jahr 1665 dokumentiert. Das heutige Bauwerk stammt von vor rund 300 Jahren, nachdem das ursprüngliche Gebäude einem Brand zum Opfer fiel. Diese Mühle hat nicht nur die Zeit überstanden, sondern auch die Herausforderungen, die zahlreiche andere Mühlen in Mittelhessen in den letzten Jahrzehnten zum Schließen gezwungen haben.

Die Herausforderungen des Mühlensterbens

Im Laufe der Jahre sind viele Mühlen in der Region in Vergessenheit geraten, oft aufgrund der technischen Entwicklungen, die die Wassermühlen obsolet machten. Zusätzlich haben strukturelle Veränderungen, wie der Bau von Fernwasserleitungen, dazu geführt, dass vielen Mühlen die Wasserressourcen entzogen wurden. Auch die Spitzmühle bleibt von diesen Herausforderungen nicht verschont, da das Wasser des Krebsbachs stark von der Niederschlagsmenge abhängt. In trockenen Jahren leidet die Wasserversorgung der Mühle, was Sebastian Balser-Kutt in den letzten Jahren bemerkt hat. Um sicherzustellen, dass die Mühle auch während Wasserknappheit betrieben werden kann, entschloss man sich, Elektromotoren einzuführen, wobei das Mühlrad weiterhin die nötige Energie erzeugt.

Der Fortbestand der Mühle ist ein echtes Kleinod der regionalen Kultur und wurde maßgeblich von Sebastian Balser-Kutt und seiner Frau gesichert. Sie übernahmen die Mühle im Jahr 2014 und investierten kontinuierlich in ihre Erneuerung und Renovierung. „Die Mühle wird Stück für Stück saniert“, erklärt Balser-Kutt stolz.

Qualität und Nachhaltigkeit im Fokus

Die Spitzmühle verarbeitet ca. 1,5 Tonnen Mehl pro Tag und verwendet dabei größtenteils eigenes Getreide. Rund 70 Prozent des verarbeiteten Getreides stammt aus eigenem Anbau. Der Rest wird von Landwirten aus der Umgebung zugekauft. In den Silos an der Mühle haben bis zu 350 Tonnen Platz, genug, um den Jahresbedarf zu decken. Hohe Typenzahlen des Mehls garantieren eine große Menge Mineralstoffe. „Je höher die Typenzahl, desto gesünder das Mehl“, erklärt Balser-Kutt, der Wert auf Qualität legt.

Ein besonderes Merkmal der Spitzmühle ist der Mahlvorgang. Hier wird in einem mehrstufigen Prozess gearbeitet: Zunächst wird das helle Mehl gemahlen und abgesiebt. Der verbleibende Teil wird zurück in die Mühle gegeben, um eine höhere Qualität zu erzielen. Diese Liebe zum Detail sorgt dafür, dass immer mehr Pizzabäcker und Bäcker in der Region auf das Mehl der Spitzmühle zurückgreifen. Während der Pandemie war die Nachfrage so groß, dass die Mühle regelrecht überrannt wurde.

Besonders geschätzt wird das Mühlenmehl von regionalen Pizzerien und Bäckern, die sich auf die Unterscheidungsmerkmale des Naturprodukts verlassen. Auch im Einzelhandel, wie Supermärkten in Buseck und der Umgebung, finden Verbraucher diesbezüglich immer mehr Angebote. Balser-Kutt hebt hervor, dass die kleinste Packungseinheit 2,5 Kilogramm beträgt, um den Abfüllaufwand zu rechtfertigen. Das Mehl muss darüber hinaus richtig gelagert werden, um die Qualität zu erhalten.

Für Sebastian Balser-Kutt ist es eine Herzensangelegenheit, das Erbe der Mühle weiterzuführen. „Am liebsten esse ich ein gutes Roggenbrot oder eine Pizza von den Pizzerien, die ich beliefere“, sagt er und verrät dabei ein kleines Geheimnis seiner persönlichen Vorliebe.

Innovation und Tradition vereint

In einer Zeit, in der viele mühlenbetriebenen Traditionen verloren gehen, zeigt die Spitzmühle, dass mit Innovation und der Liebe zur Tradition durchaus eine Zukunft möglich ist. Die Erhaltungsmaßnahmen und die moderne Ausrichtung des Betriebs stellen sicher, dass die Mühle nicht nur ein Relikt vergangener Zeiten bleibt, sondern auch als aktiver Teil der modernen Lebensweise betrachtet werden kann.

Die Rolle der Wassermühlen in der Region

Wassermühlen wie die Spitzmühle in Buseck spielen eine bedeutende Rolle in der ländlichen Wirtschaft. Historisch gesehen waren sie essentielle Bestandteile der landwirtschaftlichen Betriebe, da sie nicht nur Mehl mahlen, sondern auch andere Produkte wie Holz und Papier verarbeiten konnten. Mit dem Aufkommen der Industrialisierung und der Elektrifizierung vieler Produktionsprozesse begannen jedoch viele dieser Mühlen, den Betrieb einzustellen. Heute sind nur noch wenige wie die Spitzmühle in Betrieb, was ihre Bedeutung als kulturelles Erbe und als Teil der regionalen Identität erhöht.

Zudem sind Wassermühlen ein Symbol für nachhaltige Energiegewinnung. Sie nutzen die natürliche Kraft des Wassers, um mechanische Energie zu erzeugen, die meisten modernen Betriebe verlassen sich jedoch auf fossile Brennstoffe oder Elektrizität aus dem Netz. Der Trend zur Nachhaltigkeit hat das Interesse an traditionellen Mühlen neu belebt, und einige Betreiber, wie Sebastian Balser-Kutt, kombinieren altbewährte Techniken mit modernen Technologien, um den Betrieb effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten.

Aktuelle Bedeutung von Regionalprodukten

In den letzten Jahren hat sich ein wachsendes Bewusstsein für regionale und nachhaltig produzierte Lebensmittel entwickelt. Verbraucher legen zunehmend Wert auf die Herkunft ihrer Nahrungsmittel, was zu einem Anstieg der Nachfrage nach lokal produzierten Produkten geführt hat. Die Spitzmühle profitiert von diesem Trend, da viele ihrer Kunden, darunter lokale Bäckereien und Pizzerien, auf das Mehl aus der Region setzen.

Darüber hinaus bietet das Mehl aus der Spitzmühle nicht nur lokale Qualität, sondern auch eine gewisse Exklusivität. Die Verwendung von regionalen Rohstoffen und die traditionelle Verarbeitungstechnik ziehen Verbraucher an, die auf der Suche nach authentischen, unverfälschten Lebensmitteln sind. Dies hat dazu geführt, dass die Mühle nicht nur Mehl produziert, sondern auch ein Teil der regionalen Gemeinschaft geworden ist, indem sie sich aktiv an lokalen Märkten und Veranstaltungen beteiligt.

Das Erbe der Mühlenwirtschaft

Die Mühlenwirtschaft hat in Deutschland eine lange Geschichte, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Mühlen waren nicht nur Orte der Produktion, sondern auch soziale Treffpunkte für die Dorfgemeinschaft. Die Fähigkeit, selbst Mehl zu mahlen, war ein entscheidender Faktor für die Selbstversorgung der Bevölkerung. Mit der Zeit und den Veränderungen in der Landwirtschaft und der Industrie ist diese Rolle jedoch geschrumpft, sodass viele Mühlen aufgegeben wurden.

Die Spitzmühle ist ein Beispiel für die Erhaltung dieses Erbes. Während andere Mühlen geschlossen wurden, haben die Betreiber in Buseck an der Tradition festgehalten und gleichzeitig neue Wege gefunden, um die Mühle wirtschaftlich tragfähig zu machen. Die Rückschüttmühlentechnologie und die Zusammenarbeit mit lokalen Landwirten sind Teil ihrer Strategie, die Tradition der Mühlenwirtschaft in der Region aufrechtzuerhalten.

Lebt in Hannover und ist seit vielen Jahren freier Redakteur für Tageszeitungen und Magazine im DACH-Raum.
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