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„Gedenken an Jesiden: EKD fordert Schutz vor Abschiebungen und Gewalt“

Am 22. August, anlässlich des "Internationalen Tags zum Gedenken an die Opfer von Gewalttaten aus Gründen der Religion", erinnert die EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber in Hannover an den Leidensweg der Jesiden, die seit den Gräueltaten des IS vor zehn Jahren im Nordirak unter Verfolgung, Vertreibung und systematischer Gewalt leiden, und fordert einen bundesweiten Abschiebestopp sowie Schutzmaßnahmen für die Opfer dieses Völkermords.

Hannover (ots)

Am Donnerstag, den 22. August, wird weltweit an die Opfer von Gewalt aufgrund von Religion erinnert. In diesem Jahr nimmt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) insbesondere die Jesiden in den Fokus, deren grausames Schicksal vor zehn Jahren im Nordirak begann. Ab August 2014 wurde diese religiöse Minderheit unbarmherzig durch die Terrororganisation IS verfolgt, was zu einem umfassenden Trauma geführt hat.

Die Gräueltaten, die die Jesiden erlitten haben, sind unvorstellbar. Nachdem IS-Kämpfer mehr als 5000 Männer ermordet hatten, wurden Frauen und Mädchen zwangsverheiratet, versklavt und ihres Lebens beraubt. „Für Jesidinnen folgten Jahre eines unvorstellbaren Martyriums. Sie wurden gedemütigt, vergewaltigt und als Kriegsbeute betrachtet“, erklärt EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber. Rund 7000 Frauen und Mädchen fielen diesen Verbrechen zum Opfer, und derzeit gelten noch 2700 von ihnen als vermisst.

Der Völkermord und seine Folgen

Die Vereinten Nationen haben die Verbrechen an den Jesiden als Völkermord klassifiziert. Diese Anerkennung fand auch im deutschen Bundestag Resonanz, der im Januar 2023 die Verantwortung Deutschlands für den Schutz der Jesiden betonte. Diese Forderungen sind besonders relevant, da die größte jesidische Diaspora mit etwa 250.000 Angehörigen in Deutschland lebt. Darüber hinaus sind rund 280.000 Jesiden in Flüchtlingslagern im Nordirak untergebracht, wo die Situation weiterhin kritisch bleibt.

„Die Camps werden geschlossen, doch eine wirkliche Rückkehr in Sicherheit gibt es nicht“, kritisiert Bosse-Huber und beschreibt die desolate Lage für Rückkehrer. Diese Menschen stehen vor den Überresten ihrer zerstörten Heimat, die von Gewalt und Zerstörung geprägt ist. „Es gibt keine Lebensgrundlage, und die Angst vor ihren Peinigern macht eine Rückkehr fast unmöglich“, fügt sie hinzu und beschreibt die anhaltenden Risiken in der Region, die nach wie vor von Konflikten belastet ist.

Responsibility und Bleiberecht für Jesiden

Besonders alarmierend ist die Haltung Deutschlands bezüglich der Rückführung von Jesiden. Die Bischöfin betont, dass Abschiebungen nicht rechtfertigbar sind, insbesondere wenn dabei ganze Familien zerbrochen werden. „Mit der Anerkennung des Genozids hat Deutschland die Verantwortung übernommen, diese Menschen zu schützen“, macht Bosse-Huber deutlich. Es ist notwendig, auch wenn der IS militärisch besiegt ist, den anhaltenden Terror und seine Auswirkungen auf die Überlebenden zu berücksichtigen.

„Der Terror ist nicht verschwunden. Er ist noch an Körper und Seele spürbar“, sagt die Auslandsbischöfin und fordert einen bundesweiten Abschiebestopp für Jesiden sowie eine dauerhafte Bleiberechtsregelung für die Betroffenen. Die Gewährleistung von Sicherheit ist eine grundlegende Voraussetzung für eine bessere Zukunft der Jesiden, die auf die Anerkennung ihres Leids und auf Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft angewiesen sind.

Am Internationalen Tag zum Gedenken an die Opfer von religiöser Gewalt wird besonders deutlich, wie wichtig es ist, sich für die Rechte und die Sicherheit der Jesiden und aller anderen von Diskriminierung betroffenen Minderheiten einzusetzen. Nur durch gemeinsames Handeln kann das Ziel einer sicheren und friedlichen Existenz für alle erreicht werden.

Historische Parallelen

Der Völkermord an den Jesiden, der 2014 durch den IS eingeleitet wurde, weist einige historische Parallelen zu anderen ethnischen und religiösen Vertreibungen auf. Ein Beispiel sind die Gräueltaten an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs, die als Armenischer Völkermord bekannt sind. Beide Ereignisse zeichnen sich durch eine systematische Vernichtung einer spezifischen ethnischen und religiösen Gruppe aus, wobei die Täter die jeweilige Gruppe als „Ungläubige“ oder „Feinde“ bezeichneten, die es zu eliminieren galt.

Ein zentraler Unterschied besteht jedoch in den politischen Rahmenbedingungen und der internationalen Reaktion. Während die Verbrechen an den Armeniern zum Teil in einer Zeit stattfanden, in der es wenig internationale Öffentlichkeit gab, sind die Gräueltaten gegen die Jesiden in einem stark vernetzten globalen Informationszeitalter dokumentiert, was zu einem unterschiedlichen Maß an internationalem Engagement und Aufmerksamkeit führt.

Hintergrundinformationen zur Jesidischen Gemeinde

Die Jesiden lebten seit Jahrhunderten in der Region um Sinjar im Nordirak. Ihre Religion, die Elemente des Zoroastrismus, Christentum und Islam vereint, gilt oft als unverständlich oder fremd von anderen religiösen Gemeinschaften. Diese andere Weltanschauung hat zur Marginalisierung und Verfolgung der Jesiden geführt, besonders in einem Umfeld, in dem extremistisches Denken vorherrscht.

Nach der Invasion des Iraks 2003 und dem Nachfolgerchaos wurde die jesidische Gemeinschaft verstärkt Ziel von Angriffen und Diskriminierung. Der Aufstieg des IS stellte einen Wendepunkt dar, da die gezielte Verfolgung zu einem Völkermord führte. Die Reaktion der internationaler Gemeinschaft auf diese Verbrechen war gemischt: während einige Länder Widerstand leisteten, kam es zur Kritik an der nicht ausreichenden humanitären Hilfe und dem Schutz für die Überlebenden.

Aktuelle Statistiken zur Situation der Jesiden

Laut Schätzungen leben etwa 1 Million Jesiden weltweit, von denen die größte Diaspora mit etwa 250.000 Menschen in Deutschland zu finden ist. Die Situation der Jesiden in den Flüchtlingslagern im Nordirak bleibt besorgniserregend; rund 280.000 Jesiden leben immer noch in diesen Lagern. Die Schließung dieser Lager, ohne signifikante Fortschritte beim Wiederaufbau der Herkunftsregion, könnte die Rückkehr von Vertriebenen drastisch erschweren.

Zudem gibt es alarmierende Zahlen über die vermissten Personen: Ungefähr 2700 Jesiden, darunter viele Frauen und Mädchen, gelten nach wie vor als vermisst, was darauf hindeutet, dass das volle Ausmaß des Traumas und der Gewalt, das sie erfahren haben, noch immer nicht geklärt ist. Die Auswirkung dieser Situation auf die psychische und physische Gesundheit der zurückgebliebenen Gemeinschaft könnte gravierend sein und drängt auf die Notwendigkeit langfristiger Unterstützungsmaßnahmen.

Lebt in Mühlheim und ist seit vielen Jahren freier Redakteur für Tageszeitungen und Magazine im DACH-Raum.
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