Sachsen-Anhalt

Schützengilde Kalbe/Milde: Über 170 Jahre Tradition am Ende?

Die "Schützengilde Kalbe/Milde von 1848" hat aufgrund eines drastischen Mitgliederschwunds – von einst 80 auf nur noch 24 Mitglieder – beschlossen, das diesjährige Schützenfest ohne Umzug abzuhalten, was eine bedauerliche Premiere in der über 170-jährigen Vereinsgeschichte darstellt.

In Kalbe/Milde ist die Tradition des Schützenfestes in einem traurigen Zustand. Die „Schützengilde Kalbe/Milde von 1848“ hat beschlossen, dass in diesem Jahr der Umzug zu ihrem Fest ausfallen muss. Die Gründe hierfür sind besorgniserregend: Nur noch 24 Mitglieder zählt der Verein, und selbst von ihnen sind viele aufgrund ihres Alters nicht in der Lage, beim Umzug aktiv teilzunehmen. „Wir haben eingesehen, dass von den wenigen Mitgliedern nur noch 50 Prozent zum Umzug kommen. Und davon können 70 Prozent nicht mehr laufen“, erklärte Fritz Schulz, der Gildechef. Dies stellt das erste Mal in der mehr als 170-jährigen Geschichte des Vereins dar, dass auf den Umzug verzichtet wird.

Die Schützengilde hat eine lange Tradition, die jedoch stark unter den Folgen der DDR-Zeit gelitten hat. Während dieser 40 Jahre wurden Schützenvereine verboten, und viele der alten, historisch gewachsenen Vereine konnten erst nach der Wende wieder auferstehen. Heute sind die Mitgliederzahlen vielerorts rückläufig. Besonders im westlichen Altmarkkreis zeigt sich diese Entwicklung: „Ich kenne einen Verein, der hat nur noch drei Mitglieder“, lamentiert Schulz, der auch Vorsitzender des Kreisschützenverbandes ist.

Herausforderungen für die Tradition

Ein zentraler Grund für den Mitgliederschwund ist die mangelnde Nachwuchsgewinnung. Bei der Kalbenser Schützengilde gab es in den letzten Jahren nur sporadisch neue Anmeldungen von Kindern. Bei Festen und anderen Veranstaltungen präsentiert sich der Verein, doch die Resonanz bleibt aus. Fußball und Feuerwehr stehen bei den Jugendlichen auf der Prioritätenliste ganz oben. „Der Schießsport wird leider verkannt. Es gibt zu wenig Menschen, die die Jugend dafür begeistern“, sagt Pierre Niebel, einer der jüngsten Schützen mit seinen 40 Jahren.

Niebel, der stellvertretender Jugendwart des Kreisschützenvereins ist, hat in letzter Zeit wenig Zeit, sich aktiv im Verein zu beteiligen, da seine Prioritäten derzeit auf Familie und Beruf liegen. Dies ist ein weiteres Indiz für das Dilemma vieler Schützenvereine: Die Anforderungen des modernen Lebens stehen oft im Widerspruch zu den traditionellen Aktivitäten und Verpflichtungen.

Unterschiedliche Entwicklungen in der Region

Das Schicksal der Kalbenser Gilde steht konträr zu dem des Vereins „Heideschützen 1990“ aus dem benachbarten Letzlingen, der auf eine deutlich positivere Bilanz zurückblicken kann. Mit über 100 Mitgliedern und einem Durchschnittsalter von nur 56 Jahren sind die Heideschützen alles andere als in der Krise. Vorsitzender Carsten Neuber berichtet von einer modernen Schießanlage, die viele neue Mitglieder anzieht. „Für uns ist ein Schützenfest ohne Umzug nicht denkbar. Wir wollen uns zeigen und das gehört zur Tradition“, betont Neuber. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wird als besonders wichtig angesehen, um Akzeptanz in der Gemeinde zu fördern.

Die Letzlinger Schützen machen aktiv Werbung für ihre Feste und gestalten das Dorf durch zahlreiche Aktionen und Dekorationen mit. Dies zeigt, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, Schützenvereine als lebendige und gesellschaftlich relevante Institutionen zu positionieren, die nicht nur für Tradition, sondern auch für Gemeinschaftsgefühl stehen.

Die bemerkenswerten Unterschiede zwischen den beiden Vereinen verdeutlichen, dass es nicht nur um das Überleben der Tradition geht, sondern auch um die Anpassung an moderne gesellschaftliche Gegebenheiten und die Gewinnung neuer Mitglieder, um die Tradition lebendig zu halten.

Schützenvereine im Wandel der Zeit

Die aktuellen Herausforderungen, mit denen die Schützengilde Kalbe/Milde konfrontiert ist, werfen einen Schatten auf die Zukunft der Vereinsgeschichte. Während in manchen Gemeinden das Interesse an den Schützenvereinen wächst, kämpfen andere um das Überleben. Ob die Tradition in den neuen Bundesländern wieder aufblühen kann, bleibt ungewiss. Wie die Geschichte der Schützenvereine weitergeht, ist ein spannendes Thema, dessen Entwicklung wohl eng mit der Akzeptanz und dem Interesse an solchen Traditionen in der breiteren Gesellschaft verknüpft ist.

Poolsituation der Schützenvereine in Deutschland

Die Schützenvereine in Deutschland sehen sich gegenwärtig einer Reihe von Herausforderungen gegenüber. Wie die Statistik zeigt, gab es 2019 in Deutschland rund 12.000 Schützenvereine, jedoch ist ein deutlicher Rückgang der Mitgliederzahlen zu verzeichnen. Ein Grund hierfür sind unter anderem demografische Veränderungen. Alternde Mitglieder und fehlender Nachwuchs führen vielerorts zu einem drastischen Rückgang der aktiven Schützen. In vielen ländlichen Regionen ist es besonders schwer, die Vereine mit jungen Mitgliedern zu füllen, da Sportarten wie Fußball, Handball und andere Freizeitaktivitäten von der Jugend bevorzugt werden. Laut dem Deutschen Schützenbund (DSB) liegt der Altersdurchschnitt der Schützen bei über 50 Jahren.

Dieser Trend ist nicht auf einzelne Vereine beschränkt, sondern betrifft viele landesweit. Der DSB führt regelmäßig Umfragen durch, die zeigen, dass die Jugendlichen heutzutage andere Interesse haben. Die Schützenvereine müssen sich anpassen, um die Attraktivität ihrer Sportarten zu erhöhen und neue Zielgruppen anzusprechen. Das umfasst auch die Modernisierung der Vereinsstrukturen und die Integration neuer Medien und Technologien, um jüngere Menschen zu erreichen und zu motivieren.

Die Rolle von Schützenvereinen in der Gesellschaft

Schützenvereine haben eine lange Tradition und spielen oft eine wichtige Rolle im sozialen Leben von Gemeinden, insbesondere in ländlichen Regionen Deutschlands. Sie fördern nicht nur den Schießsport, sondern auch soziale Interaktion, örtliche Identität und Gemeinschaftsgefühl. In vielen Orten werden von den Schützenvereinen zahlreiche Aktivitäten organisiert, darunter Feste und gemeinnützige Projekte, die das lokale Gemeinschaftsleben bereichern.

Nichtsdestotrotz ist das Bild der Schützenvereine oft belastet durch Vorurteile und Missverständnisse in der Öffentlichkeit. Viele Menschen assoziieren den Schießsport mit Gewalt oder verzichten darauf, sich mit dem Schützenwesen auseinanderzusetzen. Um dem entgegenzuwirken, ist es für die Vereine wichtig, ihre Angebote und Vereinsaktivitäten transparent zu präsentieren und das Vereinsleben als positiven, integrativen Bestandteil der Gesellschaft zu zeigen.

Fördermöglichkeiten und Unterstützung für Schützenvereine

Um den Schützenvereinen unter die Arme zu greifen, gibt es verschiedene Fördermittel und Programme, die sowohl von Bund als auch von Ländern zur Verfügung gestellt werden. Die Förderung beinhaltet unter anderem finanzielle Hilfe für die Renovierung von Vereinsheimen, die Anschaffung moderner Sportgeräte und die Initiierung von Projekten zur Jugendgewinnung. Außerdem unterstützen viele Landesverbände Projekte zur Attraktivitätssteigerung der Schützenvereine. Ein Beispiel dafür ist die „Vereinsförderung“ in einigen Bundesländern, die gezielt Vereine bei der Mitgliederakquise unterstützt.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Initiativen, die sich darauf konzentrieren, den Schützennachwuchs zu fördern. Als Teil dieser Bemühungen werden Schießsportferienlager und Talentförderprogramme organisiert, um Kindern und Jugendlichen die Möglichkeiten des Schießsports näherzubringen. Über die Jahre haben solche Initiativen viele neue Mitglieder geworben und die Akzeptanz des Schießsports in Gemeinden erhöht, wobei ein besonderer Wert auf Sicherheit und verantwortungsbewussten Umgang mit den Sportgeräten gelegt wird.

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